Leerstandsabgabe
Seit Beginn des Jahres ist für leerstehende Wohnungen von den Gemeinden eine „Leerstandsabgabe“ einzuheben. Die staffelt sich nach der Wohnungsgröße und nach gemeindebezogenen Kriterien. Für Wohnungen zwischen z.B. 90 und 150 qm beträgt die Abgabe zwischen 45 € und 100 € monatlich; in Gemeinden mit besonderem Wohnungsdruck (sog. „definierten Vorbehaltsgemeinden“) kann das verdoppelt werden.
Die Stadt Innsbruck ist so eine Gemeinde; da gilt laut Verordnung des Gemeinderats vom 25.10.2022 eine monatliche Leerstandsabgabe von:
Nutzfläche |
Abgabe |
bis 30 qm |
50 € |
zwischen 30 qm und 60 qm |
100 € |
zwischen 60 qm und 90 qm |
140 € |
zwischen 90 qm und 150 qm |
200 € |
zwischen 150 qm und 200 qm |
270 € |
zwischen 200 qm und 250 qm |
350 € |
über 250 qm |
430 € |
Wer in Innsbruck also eine Wohnung von 100 qm leer stehen lässt, muss (müsste) pro Monat also 200 € abführen.
Das ist an sich vom Prinzip her gut so. Die Abgabenhöhe ist für eine Stadt wie Innsbruck aber m.E. deutlich zu gering, obwohl sie eh schon wesentlich höher ist als in anderen Gemeinden (und an der Obergrenze des Gesetzes liegt). Wer wirklich mit Wohnungen spekuliert und sie lediglich als Wertanlagen benützt, den schrecken 200 € monatlich nicht besonders. Das muss höher angesetzt werden – finde ich. Das Leerstehenlassen von Wohnungen muss finanziell „schmerzhaft“ sein – finde ich.
ABER
Das Gesetz hat Lücken bzw. lässt es große Ermessungsspielräume zu. Zunächst einmal ist ein Leerstand vom Eigentümer selbst zu melden. Die Stadt Innsbruck (oder irgendeine Gemeinde) will diese Leerstände auch überprüfen, aber der Datenabgleich zwischen Wohnungs- und Melderegister ist bei ca. 78.000 Wohnungen in Innsbruck nicht ganz einfach. (Und auch in kleineren Gemeinden hakt das manchmal.) Am 12.2. hat ORF Tirol gemeldet, dass bereits 30.000 Wohnungen in Innsbruck überprüft worden seien. Gestern, am 6.7., meldet ORF Tirol, dass „35.457 [Wohnungen] seit mindestens einem halben Jahr im Monitoring“ seien – offenbar hat sich in der Datenlage seit Februar nicht allzu viel getan.
3.071 Wohnungen – meldet der ORF am 6.7. – stehen „seit mindestens einem halben Jahr leer“: eine Leerstandsquote von ca. 8,7%. Wenn man das auf den Gesamtbestand an Wohnungen „naiv hochrechnet“, kommt man auf einen Leerstand von ungefähr 6.000 Wohnungen in Innsbruck. Genauer sind die Zahlen für Wohnungen, die 2022 fertiggestellt wurden: da stehen von 776 immerhin 100 leer, also ca. 13%. Dabei stammen die meisten Leerstände von gewerblichen und privaten Bauträgern, sind also eher teure Wohnungen. (Nur 9 Wohnungen gemeinnütziger Bauträger waren offenbar leer.)
Mit anderen Worten: es stehen ca. 10% aller Wohnungen in Innsbruck leer – um die 7.000; bei den neueren ein größerer Anteil, bei den älteren ein kleinerer. Wohnungen sind also in einem deutlichen Ausmaß Spekulationsobjekte; da kann und soll man als Staat oder Stadt steuernd eingreifen – durch Steuern oder Abgaben. Ich find Spekulieren an sich schlecht – schon aus der Schule; aber Spekulieren mit notwendigen Gütern gehört m.E. verhindert. Und Wohnraum ist ein notwendiges Gut.
Aber was heißt überhaupt Leerstand?
Eine leerstehende Wohnung ist i.W. eine, in der über 6 Monate kein Wohnsitz gemeldet war – mit noch ein paar Ausnahmen. Schon die Meldung eines Nebenwohnsitzes befreit von der Abgabe! Wenn ich also Besitzer mehrerer leerstehender Wohnungen bin, reicht es formell, wenn ich Nichten und Neffen und Freunde überzeugen kann, in einer meiner Wohnungen einen Nebenwohnsitz anzumelden. Ich kann ihnen sogar was dafür bezahlen – z.B. die Hälfte dessen, was ich sonst als Leerstandsabgabe abführen müsste.
Vom Nebenwohnsitz ist freilich der Freizeitwohnsitz zu unterscheiden. „Freizeitwohnsitze“ sind „Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht ganzjährig bewohnt werden, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder zu zeitweiligen Erholungszwecken verwendet werden.“ Da ist dann eine Abgabe fällig. Da heißt es auch: „Die Abgabe ist jährlich bis zum 30. April in Form einer Abgabenerklärung selbst zu bemessen und zu entrichten.“ (Man merke auf: die Abgabe ist „selbst zu bemessen“!)
Eine steirische Zeitung hat die Situation zusammengefasst unter dem Titel „Viele, viele Schlupflöcher“. Kurz: das „Leerstandsgesetz“ (ausführlich: „Tiroler Freizeitwohnsitz- und Leerstandsabgabegesetz – TFLAG“) ist ein Gesetz, das soziale und ökologische Maßstäbe kaum berücksichtigt und der Wohnungsspekulation viel zu wenig energisch begegnet. Es ist ein ÖVP-Gesetz für die Besitzenden. Kein Wunder, wenn sich viele Lokal- und Regionalpolitiker*innen nur sehr wenig davon erwarten.
Hat das alles was mit dem Klima zu tun?
Ja, das hat es. Wenn eine derart große Menge leerstehender Wohnungen auf den Wohnungsmarkt gebracht werden könnte, würde das das Angebot erhöhen und dadurch die Wohnungspreise (und die Inflation überhaupt) vermindern. Das ist natürlich nicht wirklich im Interesse der Wohnungsbesitzer.
Das würde die Errichtung weiterer, an sich nicht notwendiger Wohnungen ersparen, es spart damit weitere Bodenversiegelung und ermöglicht in unseren Städten die Einrichtung und Erhaltung von Grünzonen, die sowohl für das Stadtklima als auch für das Klima überhaupt sehr günstig sind. (Das beste „Gerät“, das der Luft CO2 entzieht und damit Treibhausgase reduziert, ist immer noch ein Baum.)
Wir könnten uns mit dem Beleben bereits errichteter, aber immer noch leerstehender Wohnungen CO2-Emissionen einsparen und bereits emittiertes CO2 aus der Luft wieder zurückholen.
[…] ist ein ähnliches Konzept wie bei der Leerstandsabgabe für leer stehende Wohnungen. Man kann das auch vernünftig […]