Ein Rückblick
Seit 2018, 6 Jahre lang, war Georg Willi der erste Bürgermeister Innsbrucks, der nicht aus dem (erweiterten) ÖVP-Lager kam. Gewiss hat es mit Herwig van Staa, Hilde Zach und Christine Oppitz-Plörer auch Bürgermeister*innen gegeben, die nicht auf der ÖVP-Liste für die jeweilige Gemeinderatswahl gestanden waren, aber „Für Innsbruck“ war sicher immer mindestens nahes ÖVP-Umfeld. Man hat damit in der Stadt auch Stimmen optimiert: ein konservativeres und ein liberaleres Gesicht dargestellt.
Die erste grüne Bürgermeisterperiode war schwierig; sie war sehr schnell durch permanentes Störfeuer gekennzeichnet. Dass Bürgermeister Willi den ersten Wahlgang der Bürgermeisterwahl trotzdem recht klar (und gegen die Umfragen!) gewann, zeigt vermutlich, dass sehr viele Stadtbürgerinnen und -bürger durchaus durchschauten, wer da wen mit welchem Eigennutz auflaufen lassen wollte. Im Programm „Inns‘ stinkts“ hat Kabarettist Markus Koschuh den Ereignissen den passenden Bühnenrahmen verliehen.
Mit der Kandidatur „Das Neue Innsbruck“ („NI“ oder „TURSKY“; man schaffte nicht einmal eine klare Bezeichnung!) hat man in der ÖVP versucht, das „Schwarze“ wieder zusammen zu bringen – mit erbärmlichem Erfolg. Gerade etwa 10% oder 4 Mandate hat das „Neue Innsbruck“ erreicht, obwohl (oder weil) man sich mit Florian Tursky einen Parteisoldaten aus der Bundesregierung, den Staatssekretär für Digitalisierung, für diesen Job geholt hat. Die Arroganz der Parteigranden meinte, die Innschbrugga würden den ehemaligen Büroleiter des damaligen Landeshauptmanns ganz bestimmt wählen. Irre viel Geld wurde investiert – mit null Erfolg!
Das lag vor allem auch daran, dass es einen durchaus angesehenen, populären ÖVP-Vizebürgermeister gegeben hatte, den die ÖVP aber nicht mehr wollte: Johannes Anzengruber. Kurz vor der Wahl wählten die ÖVP, „Für Innsbruck“ (die „andere“ ÖVP) und die FPÖ diesen Vizebürgermeister aus dem Amt. War er ihnen zu liberal, zu weltoffen, zu wenig berechenbar, zu wenig Parteisoldat? Man konstruierte aus einer Geschenkaktion ein Skandälchen, das als Anlass genügen durfte, Anzengruber abzusetzen: gegen die Stimmen der nicht-schwarz-blauen Fraktionen.
Nun also …
… Bürgermeister Willi gegen Ex-Vizebürgermeister Anzengruber.
Beide Kandidaten „können“ an sich miteinander. (Willi hatte Anzengruber nicht abgewählt.) Beide legen ein umfangreiches Programm vor: die Grünen unter innsbruck.gruene.at/wahlprogramm-2024/, die Liste JA von Anzengruber unter www.jetzt-innsbruck.at/themen/. Auf Basis dieser Programme ist eine Koalition (unter Beteiligung anderer vernünftiger Kräfte, von denen es einige gibt) gut denkbar.
Ist es auf der Basis dieser Programme also eigentlich egal, wer nun Bürgermeister wird?
Ich glaube nicht. Zunächst wird natürlich die macht-besoffene ÖVP versuchen, Anzengruber wieder irgendwie einzugemeinden. Wie sehr das gelingen wird? Plakatverzierungen wie …
… formulieren da Skepsis.
(Ich war das nicht. Ich tu das an sich nicht und ich glaube, die ÖVP braucht Anzengruber, Anzengruber aber nicht die ÖVP.)
Und dann gibt es schon einige Punkte, über die man nachdenken kann und soll. Beide Kandidaten wollen zum Beispiel, dass die Stadtpolitik auf den Klimawandel reagiert. Bei den Grünen geht es da auch um urbane Maßnahmen gegen den menschengemachten Klimawandel; bei Anzengruber geht es darum, Innsbruck „klimafitt“ zu machen. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Bei Anzengruber klingt das nach einer grundsätzlichen Akzeptanz bzw. Hinnahme des menschengemachten Klimawandels. „Wir tun da nicht mehr so viel dagegen, sondern wir schauen, wie wir damit zurechtkommen.“
Ich hätte gern griffige Antworten auf Fragen wie:
- Wie kann man in Zeiten des menschengemachten Klimawandels eine Stadt klimagerecht planen und gestalten?
- Wie kann man als Stadt den menschengemachten Klimawandel bekämpfen?
- Wie kann man im urbanen Raum Wohnungsnot effektiv bekämpfen?
- Wie kann man als Stadt gesunde, sinnvolle Arbeitsplätze schaffen?
- …
Man kann sich da viel aus den Wahlprogrammen zusammensuchen. Ich hätts halt gern komprimiert „auf den Punkt gebracht“. Aber ich kann ja sowieso nicht wählen; ich bin kein Innsbrucker; ich bin bloß interessierter Beobachter.
Es ist vielleicht nicht ganz wurscht, wer Bürgermeister wird.