Die EU hat in den letzten Monaten die „Balkan-Routen“ für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten (aus Syrien, aus dem Irak, aus Afghanistan) geschlossen. In Griechenland sitzen noch Tausende fest; Griechenland hat bereits begonnen, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten wieder in die Türkei zurückzuschicken. Dafür („dafür“?) werden Flüchtlinge aus der Türkei in Staaten der EU aufgenommen.
Welches Bild vermitteln wir? Wir schicken Menschen übers Meer zurück in eine ungewisse Türkei, die selbst wieder Flüchtlinge nach Syrien zurückschickt. In eine Türkei, die wir dafür bezahlen, dass sie „für uns“ Flüchtlingscamps aufstellt.
Wir vermitteln das Bild, dass uns die Gefahren, die Opfer, die diese Flüchtlinge auf sich genommen hatten, um über das Meer nach Europa zu kommen, egal sind. Das EU-Argument ist, dass man gegen die Schlepperbanden vorgehen müsse und dass das Flüchtlingsaufkommen geordnet sein müsse.
Ja, manche Menschen machen mit Schlepperei einträgliche und ausbeuterische Geschäfte. Ja, das kann man nicht unterstützen. Aber wir treiben mit der Politik der kalten Schulter viele Menschen zunächst einfach in eine ungewisse Zukunft, denn „Europa“ will sie nicht und den Islamischen Staat wollen sie nicht. Manche von ihnen werden so aber auch dem islamistischen Fundamentalismus direkt in die Arme getrieben. Wir erzeugen damit Nachschub für den Terrorismus der nächsten Jahre und Jahrzehnte.
Was ist zu fordern? Es muss möglich sein, nach dem Erreichen von EU-Boden (oder einer EU-Botschaft) einen EU-Asylantrag zu stellen. Wo dieser Antrag dann umgesetzt wird, muss auch innerhalb der Union gemeinsam geklärt werden. Eine Europäische Union, die das Problem des Asylantrags nur ihren südlichen Ländern überlässt, ist die Bezeichnung Union nicht wert. Flüchtlingskrisen werden noch viele auf Europa zukommen. Man kann die Bewältigung der Flüchtlingskrisen nicht Griechenland, Italien und Spanien aufbürden. Eine österreichische Bundesregierung, die ihr Land nur von „sicheren Drittstaaten“ umgeben wähnt und sich auf diese Weise aus der gemeinsamen europäischen Verantwortung stehlen will, macht sich lächerlich.
Die österreichische Zivilgesellschaft, die europäische Zivilgesellschaft: sie haben 2015 viel geleistet. Die EU in Form ihrer europäischen Staatsregierungen leistet sich eine Politik des Wegschauens, die unseren Kindern noch auf den Kopf fallen wird.
Ein paar Tage später:
die Schließung der Balkanrouten wird laut Medienberichten dazu führen, dass wieder mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer (d.h.: nicht nur über die Ägäis) kommen werden.
Wir werden wieder mehr Bilder sehen von ertrunkenen Menschen, im besonderen Kinder.
Ein Artikel zur Ehrenrettung der „Schlepper“ drängt sich auf. Nein, nicht aller: es gibt unter den Schleppern sicher üble in Banden organisierte Geschäftemacher. Aber zum Schlepper wirst Du, wenn Du wen mitnimmst, auch ohne Gewinn. Und was hätten die, die vor den Nazis geflohen sind, ohne „Schlepper“ gemacht? Sie wären im KZ umgekommen.
[…] Was leistet (sich) die EU? (5.4.2016) […]