michael bürkle

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Michael Bürkle

USA? Läuft nicht schlecht

Wahlkampf 2024

Mich interessiert der US-amerikanische Wahlkampf fast noch mehr als der österreichische. Vielleicht weil es in den USA – global gesehen – größere Katastrophen zu verhindern oder mehr für den Globus zu retten gilt. (Für Österreich wäre eine VF-Koalition auch katastrophal; da gilt sowieso: nicht die ÖVP wählen – für die ist Österreich ein „Autoland“; und schon gar nicht die FPÖ – die hat den menschengemachten Klimawandel noch nicht einmal verstanden.)

Stand 16.8.

Das US-amerikanische Wahlsystem ist sehr eigen; ich habe das schon beschrieben: in „Das US-Wahlsystem“ und in „Finger im Wind“. Es geht für die Kandidatinnen und Kandidaten darum, Bundesstaaten zu gewinnen. Wer z.B. in Kalifornien die Wahl gewinnt, bekommt 54 Wahlpersonen (sozusagen „Mandate“) zugewiesen – egal, wie klar oder knapp der „Wahlsieg“ war. Wer Texas gewinnt, bekommt 40 Wahlpersonen zugewiesen. In Florida sind es 30, in New York 28, in Illinois und Pennsylvania je 19 usw., je nach Bevölkerungszahl. In jedem Staat sind mindestens 3 Wahlpersonen zu vergeben; insgesamt sind das 538 solcher „Wahlmandate“. Die Mehrheit beginnt also bei 270. Wer 270 „Elektoren“ ergattert hat, hat die Wahl gewonnen: die absolute Stimmenzahl ist unbedeutend. Sowohl Hilary Clinton im Jahr 2016 gegen Trump als auch Al Gore im Jahr 2000 gegen Bush haben auf diese Weise die Wahl trotz höherer Stimmenzahl verloren.

Es gibt einige web sites, die da etwas helfen: z.B. 270towin.com oder fivethirtyeight.com („538“). Die zeigen den Stand des Wahlkampfs an. Es gibt nämlich Bundesstaaten, die sind traditionell „demokratisch“ und werden also höchstwahrscheinlich Kamala Harris wählen, und es gibt Staaten, die sind traditionell „republikanisch“ und werden vermutlich Trump wählen. (Ähnlich in Österreich: Niederösterreich und Tirol sind traditionell „schwarz“, Wien ist traditionell „rot“.) Aber es gibt swing states, die a priori unentschieden sind, die deshalb umkämpft („battlegrounds„) sind und die die Wahl de facto entscheiden. Derzeit sind das v.a. Michigan, Wisconsin, Pennsylvania, Georgia, Arizona und Nevada. Dort findet der wirkliche Wahlkampf statt.

So sieht das bei 270towin derzeit aus:

„rot“ = republikanisch sind da Bundessstaaten mit derzeit insgesamt 235 „fixen“ Wahlpersonen; „blau“ = demokratisch sind Bundesstaaten mit derzeit insgesamt 226 Wahlmandaten. 6 Staaten mit insgesamt 77 Wahlpersonen sind noch „unentschieden“.

(Ein kleiner Exkurs

Man sieht an dieser Karte einiges über die Struktur der Bevölkerung in den USA. Es gibt den liberalen städtischen Osten – „New York und Umgebung“, „New England“ – und die liberale Westküste (Kalifornien, Oregon, Washington). Dazwischen gibt es den z.T. stockkonservativen „Mittleren Westen“: dünn besiedeltes, sehr oft bäuerliches Land, das Land der „Red Necks“, denen – im historisierenden Klischee – bei der Feldarbeit die Sonne auf den Nacken brennt. Einige Staaten liegen aus bestimmten Gründen gesellschaftlich „dazwischen“: Wisconsin, Michigan an den Großen Seen, Pennsylvania mit verschiedenen Gesichtern zwischen extrem liberal in Philadelphia oder Pittsburgh und ultra-konservativ. Dazu einige andere Staaten mit besonderer Geschichte: Georgia im Osten, Colorado, New Mexico, Nevada, Arizona im Westen.

Wenn man sich nördlich das in Summe sehr liberale Kanada dazu denkt, entsteht von West nach Ost ein großer liberaler Ring um den konservativen Mittleren Westen.)

Umfragen

Aber es gibt Umfragen; es gibt zahlreiche mehr oder minder zuverlässige Institute; auch Universitäten befragen. Veröffentlicht werden von 270towin und fivethirtyeight Mittelwerte über diese Umfragen. Das sieht bei 538 derzeit z.B. so aus:

 

Man sieht: Kamala Harris legt in den nationsweiten Umfragen i.W. kontinuierlich zu. Der Abstand zu Trump betrug vor einer Woche noch 2,0 Prozentpunkte: nun sind es schon 2,7. Das ist bereits über der statistischen Schwankungsbreite und würde höchstwahrscheinlich für 270 Stimmen im Wahlkollegium reichen. Der Abstand ist größer als es 2016 der von Hilary Clinton gegenüber Trump war.

Aber das sagt ja nur etwas über das vermutete Ergebnis der Volkswahl aus – und die ist ja irrelevant. Aber man kann sich auch die Umfragen in den swing states ansehen. In Wisconsin sieht das heute (16.8.) so aus:

Hier führt Harris relativ klar um 3,1 Prozentpunkte. Hier Michigan:

Da beträgt Harris‘ Vorsprung 2,7 Prozentpunkte.

Und hier Pennsylvania mit einem Vorsprung von Harris von 2,1 Prozentpunkten.

Vor ein paar Tagen hat das ein etwas reißerischer Moderator in einem US-Fernsehsender noch etwas dramatischer dargestellt. Harris sei in allen 3 Bundesstaaten um 4 Prozentpunkte voran.

Der Vollständigkeit halber noch Georgia …

… da holt Harris auf, aber Trump ist gerade noch ganz leicht vorn …

… und Arizona …

 

… das hat Harris derzeit „umgedreht“ …

… und Nevada; da liegen Trump und Harris praktisch gleichauf:

 

Aber würde Harris Michigan, Wisconsin und Pennsylvania gewinnen, wären das – wenn alle anderen Einschätzungen stimmen – schon die nötigen 270 Stimmen im electoral college; Arizona (und Georgia und Nevada) wäre nicht mehr nötig.

Aber!

Das sind Umfragen zum jetzigen Stand. Umfrageergebnisse können auch falsch sein: sie können unabsichtlich falsch sein und absichtlich natürlich erst recht. Bis zum Wahltag kann noch sehr viel geschehen, das die Wähler*innen in die eine oder andere Richtung beeinflussen kann. Also: fix ist da noch nix. Aber derzeit ist Trump auf dem Rückzug; Lack und Teflon sind ab; der Vize sehr umstritten … Und da ist noch der Demokratische Parteitag; dann sind da noch Fernsehkonfrontationen …

Ein großes Aber sind für mich die restlichen Kandidat*innen. Es wird voraussichtlich noch Robert F. Kennedy jr. kandidieren: ein zweifelhafter Kandidat, der sich u.a. als Umweltaktivist, als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker profiliert hat. Er ist Mitglied der Demokratischen Partei, wollte sich dem internen Vorwahlprozess aber nicht stellen und kündigte eine „unabhängige“ Kandidatur an. Kennedy unterhält sowohl zu Trump als auch zu Harris Verbindungen: Trump hat ihm 2017 den Vorsitz in einer Art „Impfsicherheitsgremium“ angeboten; Kennedy wiederum hat Harris offenbar angeboten, sie zu unterstützen, wenn er eine Stelle im Kabinett bekommt. (Quelle für alles: der Wikipedia-Artikel über Kennedy; s.o.)

Dieser Kennedy kommt je nach Bundesstaat laut Umfragen auf 3%-7%. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er das zum Kapital macht und sich für eine Wahlempfehlung kurz vor der Wahl kaufen lässt. Das könnte das Ergebnis in den umkämpften Staaten stark beeinflussen.

In vielen Bundesstaaten wird voraussichtlich Jill Stein, die Vorsitzende der Green Party, auf dem Stimmzettel stehen. Und auch Cornel West, ein äußerst angesehener Philosoph (in Harvard) und Theologe (in Princeton) afroamerikanischer Herkunft. Die können beide der Kandidatin Kamala Harris grüne und linke Stimmen kosten. In vielen Umfragen werden sie auch schon abgefragt, kommen aber nur auf 1-2% und tun den Umfrageergebnissen von Harris meist nicht weh. (Die USA haben das gleiche Problem wie die kleinen Listen in Österreich und überall auf der Welt: kleine, an sich unbedeutende „Erfolge“ von kleinen Parteien können die „großen“ Mehrheiten beeinflussen. 2% der Stimmen zu erzielen nützt letztlich wenig, kann aber eine Mehrheit wesentlich verschieben. Das ist in den USA so wie überall.)

Und dann gibt es voraussichtlich noch mit Chase Oliver einen Kandidaten der Libertären Partei. Der könnte Trump einige Stimmen kosten; in Umfragen kommt er aber noch nicht weit.

Kaffeesud und Klima

Das alles sind noch viele Faktoren, die das Lesen aus dem Kaffeesud erschweren. Auch meine Kristallkugeln liefern derzeit noch viel Nebel.

Für mich ist die Wahl in den USA aber extrem wichtig, Mit Trump würde es keine globale Klimapolitik geben – eine globale Katastrophe. Mit Harris kann ich mir eine globale Klimapolitik vorstellen. Präsidentin Kamala Harris wäre sicher noch nicht die Lösung der Klimakrise, aber es wären noch Lösungen denkbar.

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