michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

„unverzichtbar“???

Walter Rosenkranz

Laut Berichten in den Medien hält Walter Rosenkranz, der mit 100 von 183 Stimmen zum Ersten Nationalratspräsidenten gewählt worden ist, „Burschenschaften“ für „unverzichtbar“. Ja, der Mann ist selbst Burschenschaftler – bei der „schlagenden Burschenschaft“ Libertas, der er mit 19 beigetreten ist, und insofern kommt diese Meinung nicht völlig überraschend.

Rosenkranz dürfte von den 57 FPÖ-Mandataren gewählt worden sein und also von 43 weiteren – das macht 100. „Weitere“ (jenseits der FPÖ, also aus ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen) gibt es insgesamt immerhin 126, also hat Rosenkranz etwa ein Drittel der Nicht-FPÖ-Mandatare auf seine Seite gebracht. Eine tolle Integrationsfigur sieht anders aus. Einige Details zur Person Walter Rosenkranz hat der Falter gesammelt, ebenso das DÖW (das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands).

Burschenschaften …

… „unverzichtbar“? Unsinn! Burschenschaften sind Männerbünde (oder Bubenbünde) und als solche ein Relikt aus alter Zeit. Gemeinsam ist allen Burschenschaften eine hohe Wertigkeit des Begriffs Amicitia („Freundschaft“), die im gesellschaftlichen Leben sehr oft als Freunderlwirtschaft, Karriereförderung bzw. Korruption ausgelebt wird. „Man hilft einander gegenseitig“. Außerdem trinkt man gemeinsam: viel Bier. Oder sehr viel Bier. Und man legt sich ein Pseudonym, einen „Verbindungsnamen“ zu.

Die Amicitia funktioniert über Generationen. Auch wenn man nicht mehr Student ist, ist man als „Senior“, „Alter Herr“ oder „Philister“ immer noch Mitglied der Burschenschaft, der man irgendwann einmal beigetreten ist, und ist mit allen neuen jungen Mitgliedern „per Du“. Da lernen „Alte Herren“ regelmäßig junge Männer kennen. Und umgekehrt.

„schlagende“

Die „schlagenden“ Burschenschaften üben untereinander das Fechten aus: Auseinandersetzungen werden mit Säbelgefechten („Mensuren“) ausgetragen, bis einer der Kämpfer blutet und eine sichtbare Verletzung davon trägt: einen „Schmiss“, auf den man dann stolz ist. Diese „schlagenden“ Burschenschaften sind i.W. politisch stramm rechts bis rechtsextrem; sie sind antisemitisch und latent rassistisch und halten sehr wenig von Demokratie – sondern sich selbst für eine Art Elite. Schlagende Burschenschaften gehören (in Österreich) zum Vorfeld der FPÖ, aber auch der Identitären.

„nicht-schlagende“

Die nicht-schlagenden Burschenschaften sind nicht extrem rechts, sondern bloß stockkonservativ, manchmal mit liberalem Anhauch. Sie empfinden sich als „christlich“; man nennt das auch „CV“ für „Cartell-Verband“. Sie fechten nicht, schlagen sich also nicht die Schädel ein. Sie gehören (in Österreich) zum Vorfeld der ÖVP. Auch sie halten sich für etwas Besseres, etwas Besonderes, und sie helfen „Verbindungsbrüdern“, wann immer es nötig ist.

meine Erfahrung

Ich kenne burschenschaftliches Wesen und Denken von manchen Studienkollegen (Gendern unnötig!; sind alle männlich, haben also einen Penis) und aus meiner Jugend aus einer gewissen Zeit bei einer „pennalen Burschenschaft“, also einer Schülerverbindung. Auch da war das gemeinsame Biertrinken bereits wichtig; auch da durften keine Mädchen dabei sein; auch da „bildete“ man sich gegenseitig, damit man Grund hatte, sich „gebildeter“ zu fühlen. „geschlagen“ im Sinne von gefochten haben wir nicht: wir waren katholisch!

Mir ist es aber relativ bald langweilig geworden. Ein Irrweg!

„unverzichtbar“???

Hä? Geh Blödsinn! Man könnte wunderbar auf alle diese klandestinen & korrupten Männerbünde verzichten. Sie haben in einer demokratischen, transparenten Gesellschaft nichts mehr verloren. Nichts! (Sie waren vielleicht als Mittel bürgerlicher Organisation gegen den Adel einmal von Bedeutung. Heute sind sie ein Hort der Korruption.)

Ob das für eine ganz besondere Burschenschaft – die „Furia“ – auch gilt, lasse ich dahingestellt.


Beitrag veröffentlicht

in

Subscribe
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
ältesten
neuesten am meisten bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x