Gerald Bast, der Rektor der Universität für angewandte Kunst, fordert im Standard vom 19.8. auf S. 23 ein Ende der „Lehre auf Distanz“. Denn: Lehre auf Distanz lasse „keinen Platz für Diskurs und damit auch Kompromissfähigkeit zu“, und: das sei „eine Gefahr für Gesellschaft wie Staat“.
Wo lebt der Mann? Auf einem anderen Planeten? Ja, in gewissem Sinn schon. Er lebt auf dem Planeten „Universität“, auf dem didaktisches Bemühen, technologische Fortbildung, methodische Planung eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Viele (nicht alle) Universitätslehrer tun sich didaktisch nichts an: sie „lesen vor“. Viele (nicht alle) Universitätslehrer haben sich in der Krise erst recht nichts angetan. Ja, „distance learning“ an den Universitäten war oft katastrophal: einfach die Übertragung dessen, was sonst eine Vorlesung wäre, aber ohne jeden näheren Kontakt mit den Studierenden. Oft nicht einmal das: da wurden „Lernunterlagen“ übermittelt und dann abgeprüft. Vieles (nicht alles) ist einfach ausgefallen, weil die Professoren sich mit den neuen Technologien nicht auseinandersetzen konnten oder – noch schlimmer – nicht wollten.
Was ist das für eine „Diskurskultur“ an den Universitäten, wenn sie durch distance learning nicht mehr stattfindet?
Nein, Rektor Bast irrt hier. „distance learning“ macht Diskurs und Kompromissfähigkeit nicht zunichte, wenn man sich halbwegs um Diskurs und Kompromissfähigkeit bemüht. Didaktisches Bemühen ist im Elfenbeinturm aber halt allzu oft nicht foin genug.
Bast auch: „Eine demokratische Gesellschaft, die über zu wenig Ambiguitätstoleranz verfügt, deren Bildungssystem den Umgang mit Ungewissheit und Mehrdeutigkeit nicht zum zentralen Bildungsziel macht, zerstört ihre Grundfesten und ihren Bestand.“
Ja, da gebe ich dem Rektor recht. Aber das Problem ist nicht das distance learning, sondern ein Bildungssystem, das eben mit Ungewissheit und Mehrdeutigkeit nicht umgehen kann oder will. Das ist das Problem der Universitäten, nicht des distance learning.
Recht hat Bast sicher auch in der Feststellung, dass eine Lehre ohne Platz für Diskurs und Kompromissfähigkeit eine Gefahr für Gesellschaft und Staat sei. Nur: an einer Lehre ohne Platz für Diskurs und Kompromissfähigkeit ist nicht das distance learning schuld. Da mangelt es an anderem.
Die Universitäten müssen lernen. Sie könnten bei Schulen lernen, die sich im distance learning angestrengt haben und das gut über die Bühne gebracht haben: mit Diskurs und mit Kompromissfähigkeit und mit Ambiguitätstoleranz. Und mit Fleiß und der Bereitschaft zu Fortbildung.