Sinnieren in der Videokonferenz
Heute abend Videokonferenz; es geht um den Klimawandel – und was man dagegen tun kann. Die meisten sind junge Leute; ich bin der bei Weitem älteste.
Man kommt ins Sinnieren. Und einer der jungen Männer – nennen wir ihn Florian – meint, man müsse sich heutzutage geradezu fragen, ob es noch sinnvoll sei, ins Pensionssystem einzuzahlen, weil ja völlig unsicher sei, ob man da noch was herausbekommt.
Ich muss schmunzeln und kanns mir nicht verkneifen. Ich sage: „Lieber Florian! Du irrst dich da ein bisschen. Du zahlst jetzt nicht für deine Pensionen ein. Was du zahlst – ist meine Pension.“ Und: „Bitte zahl weiter ein.“
Das Umlageverfahren
Man nennt das das Umlageverfahren. Pensionen, für die man einzahlt, werden nicht angespart, sondern auf die derzeit auszuzahlenden Pensionen umgelegt. Ich meinerseits habe auch schon für die Pensionen meiner Elterngeneration eingezahlt. Und so weiter.
Die Zukunft?
Aber in gewissem Sinn hat Florian schon recht. Die gesellschaftliche Situation ist so, dass heute völlig unsicher ist, wie die Umweltsituation in 20 Jahren ist, welches Klima herrschen wird, mit welchem Sozial- und Gesundheitssystem wir uns welche Klimafolgen abfedern können, wie wir es schaffen werden, in einer überhitzten Welt mit wenig Trinkwasser auf (früher) südliche Krankheiten reagieren zu müssen. Und und und.
In 20 Jahren bin ich 86 – wenn ich es überhaupt erlebe. Mich werden manche dieser Probleme vielleicht nicht mehr betreffen. Aber Florian schon.
Ich glaube nicht an eine „Große Apokalypse“. Ich sehe keinen „Weltuntergang“, der Globus wird nicht explodieren. (Dem Globus sind unsere Krisen wurscht.) Aber ich sehe Krisen über Krisen, die alle miteinander zu tun haben: Klimakatastrophe, Pandemien, Inflation, Energiekrisen, Wirtschaftskrisen, humanitäre Krisen. Ich sehe Krisen auf Krisen, die Freunde zu Feinden machen werden; es wird um Trinkwasser und um Dürre, um den Zugang zu Gesundheit und zu Medikamenten gehen, um den Zugang zu Bildung und zu Arbeitslosengeld, um globale Migrationsbewegungen, um globale Kriege.
Ja, da kann man sich schon fragen, welche sozialpolitischen Maßnahmen heute noch und wie lange noch sinnvoll sind.
Aber wir können noch etwas tun.
Wir sind die letzte Generation, die noch etwas tun kann. Wie viel Zeit noch bleibt, ist unklar, denn im Klimawandel gibt es Kipp-Punkte, deren Überschreitung zu irreversiblen Änderungen führen kann. Wann diese Kipp-Punkte überschritten werden, ist wissenschaftlich nicht völlig geklärt.
Aber es sind weniger wir als Individuen; es geht um wir als Gesellschaft. Also müssen unsere Politiker auch (umdenken). Viele unserer Politiker wollen aber nicht umdenken, sondern lediglich die nächste Wahl gewinnen. Das führt auch zu einer Art Umlageverfahren. Wir produzieren jetzt Probleme, deren Lösung wir auf die nächste Generation umlegen. Die kann aber nicht mehr – siehe „Kipp-Punkte“!