Es ist Wahlkampf; die Parteien überschlagen sich in Populismus. Die ÖVP – sorry: „Liste Kurz“ – verlangt „Steuern runter“. Andere tun das auch.
Wirklich Steuern runter? Sollen wir das wollen?
Ich bin als Schuldirektor relativ gut bezahlter österreichischer Beamter und zahle nicht wenig Steuern und Sozialabgaben. Mir würden Steuererleichterungen durchaus was bringen. Kurzfristig. Kurz-fristig.
Nach einer aktuellen Statistik von Wirtschaftskammer und Statistik Austria hat Österreich 2017 eine Abgabenquote (Steuern plus Sozialversicherungsbeiträge) von 43,1%. Wir liegen damit in der EU relativ weit oben und leicht über dem Schnitt von 41,6%. Frankreich (47,5%), Belgien (46,6%), Dänemark (46,1%), Schweden (44,6%) und Finnland (43,7%) liegen mit noch höheren Abgabenquoten vor uns.
Sehen wir uns das andere Ende der Liste an: Irland (24,6%), Rumänien (25,6%), USA (26,5%), Schweiz (28,2%), Bulgarien (29,6%) liegen deutlich tiefer. Auch Litauen, Lettland, die Slowakei, Zypern etc. liegen tiefer.
Wenn ich mir das ansehe: ich denke, unsere Abgabenquote stimmt schon. „Steuern runter“ bedeutet: Einsparungen im Gesundheitswesen, im Sozialwesen, im Bildungswesen. „Steuern runter“ bedeutet die Demontage des Sozialstaats. „Steuern runter“ bedeutet entweder Verarmung weiter Bevölkerungsschichten (Rumänien, Bulgarien, auch USA, ja, auch USA!) oder einen allgemein so hohen Wohlstand, in dem sich eh alle alles Wesentliche und ein bisschen Luxus (Privatschulen, Privatversicherungen, Privatsanatorien) selbst leisten können (Schweiz).
Nein, die Abgabenquote stimmt. Ich bin strikt gegen „Steuern runter“; ich bin für ein qualitativ hohes, funktionierendes Bildungs-, Gesundheits-, Sozialsystem. Ja, das kostet was, aber da haben wir alle etwas davon. Der Kurze Rattenfänger bläst falsch.
Es geht allenfalls darum, die eingenommenen Steuern richtig zu verteilen, sie nicht in Korruption und reiner „Verwaltung“ versickern zu lassen. Ich wäre sogar dafür, Sozialabgaben von Bestverdienenden durchaus noch anzuheben. Die zahlen nämlich verdammt wenig für Soziales im Vergleich zu kleinen und mittleren Verdienenden.
@michael > Nein, die Abgabenquote stimmt. Ja, richtig, und ich denke, das weiß die ÖVP ebenfalls ganz genau. Nur: die ÖVP ist eben nicht sozial, sondern konservativ, und zwar nicht im mathematischen Sinn (was ja für eine Partei durchaus lobenswert wäre), sondern im politischen. Und dazu gehört eben auch ein anachronistisches Standesdünkel: D.h. für die ÖVP gibts eben eine Oberschicht, die diese Partei als ihre Klientel betrachtet und deren Wohlergehen sie quasi als Geburtsrecht betrachtet; und dann gibt es das „gemeine Volk“, das quasi natürlich dazu ausersehen ist, dafür zu bezahlen (ja, da schwingt jetzt ein wenig Sarkasmus mit). D.h.… Mehr »