Die Reifeprüfung am Abendgymnasium besteht – wie jede richtige Reifeprüfung – aus 7 Prüfungen: 3 schriftliche und 4 mündliche oder 4 schriftliche und 3 mündliche. Oder Fachbereichsarbeit und 3 schriftliche und 3 mündliche. Und aus dem Studium von ca. 15 allgemeinbildenden Fächern davor.
Ja, das Abendgymnasium kennt noch keine zentrale Reifeprüfung mit einer obligatorischen „Vorwissenschaftlichen Arbeit“. Die „neue“, standardisierte, zentralisierte Reifeprüfung gilt im Vollausbau erst ab dem Schuljahr 2020/21 und wird ab Sommersemester 2018 stufenweise in den vorgezogenen Teilreifeprüfungen aufgebaut.
Was aber anders ist und bleiben wird, ist, dass „Reife“ am Abendgymnasium nicht nur ein Zustand ist, der am Schluss ausgesprochen wird. Sondern ein Vorgang; ein Vorgang des Reifens. Immer dann, wenn man ein Fach abgeschlossen hat, kann man eine vorgezogene Teilreifeprüfung ablegen. (Fast immer: wenn man schon 4 mündliche Reifeprüfungen hat, geht keine fünfte mehr. Und das Fach muss mindestens 5 Semesterwochenstunden haben.)
Die Matura ist jedenfalls nicht mehr das „Große Ding Am Schluss“, sondern sie wird ein Reifeprozess. Diesen Reifeprozess kann man sehen und bewundern, oft. Ich habe schon öfters Kandidaten erlebt, die bei ihrer ersten vorgezogenen Teilreifeprüfung in Geographie noch recht unsicher und gehemmt waren, leise gesprochen haben, deren Gesicht hinter Frisur und Kapperl schlecht erkennbar war. Ein Jahr später, bei der vorgezogenen Teilreifeprüfung in Biologie, war der gleiche Kandidat schon besser hörbar, hatte eine aufrechtere Körperhaltung, wirkte bereits souveräner. Und das setzt sich fort. Es ist sehr schön zum Zuschauen.
Nicht immer sieht man diesen Reifeprozess so im Detail. Ins Abendgymnasium kommen auch Menschen, die schon sehr reif sind, aber halt noch keine Reifeprüfung absolvieren konnten oder durften. Da merkt man dann weniger Entwicklung von Termin zu Termin. Da merkt man Reife in der Planungsübersicht über Jahre, in der Konsequenz des Durchziehens eines Bildungsprogramms.