Der Bericht
Auf Auftrag der Ministerien für Inneres und Justiz hat das Dokumentationsarchiv des Österreichschen Widerstands (DÖW) den Rechtsextremismusbericht für das Jahr 2023 (und rückblickend auch 2020-2022) erstellt und heute präsentiert. Der Bericht ist auf den Seiten der beauftragenden Ministerien als Volltext abrufbar.
Der Bericht zeigt wissenschaftlich aufgearbeitet, was jedes politisch einigermaßen geschulte Auge leicht erkennen kann: es gibt zahlreiche Verbindungen zwischen den diversen rechtsextremen Organisationen (schlagende Burschenschaften, Identitäre etc.) und der FPÖ. Die FPÖ kommt im Bericht 231 mal vor. Auf insgesamt 196 Seiten wird ein genaues Bild der rechtsextremen Szene in Österreich gezeichnet; man kann sich gut informieren.
Das wird einzelne FPÖ-Politiker (wie z.B. Herrn Vilimsky) nicht freuen; es gibt welche, die nicht als „far right“ wahrgenommen werden wollen, obwohl sie mit anderen weit rechts stehenden Parteien eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament bilden.
(Im ORF-Bericht ist etwas entstellend: am Schluss heißt es wörtlich: „Kritik kam von SPÖ und Grünen.“ Ja, schon, aber nicht am Rechtsextremismusbericht. Sondern an der FPÖ und ihrer dokumentierten Nähe zur rechtsextremen Szene.)
Neonazis?
Die Frage, was heute ein „Nazi“ sein soll, ist nicht Teil des Berichts. Der Bericht geht in einem Seitenkapitel aber auf die Geschichte der FPÖ ein, die Mitte der 50er-Jahre gegründet worden ist, um ehemaligen Nationalsozialisten ein politisches Betätigungsfeld zu verschaffen. Was heute ein „Nazi“ bzw. Neonazi ist, müsste man ordentlich definieren: ich habe bereits vorgeschlagen, die Kombination aus Rassismus (das inkludiert auch den Antisemitismus) und Demokratiefeindlichkeit (das Parlament als „Quatschbude“) als definierendes Merkmal zu wählen. Eine Mitgliedschaft in einer Partei ist dazu nicht nötig; insbesondere gibt es die NSDAP nicht mehr. Nach meiner Definition sind in der FPÖ sicher etliche Neonazis zu finden; sicher erfüllen nicht alle Funktionäre diese Eigenschaft; es gibt da auch demokratisch gesinnte Menschen, die etwas aus der Geschichte gelernt haben.
Ein Film und die NSDAP-Nazis
Heute nacht (um 23:20 Uhr, leider viel zu spät!, aber man kann ihn auch vorab oder danach ansehen) bringt ORF 2 den Film „Die Wannseekonferenz“. Er arbeitet auf, wie die Nazis 1942 die totale Vernichtung des Judentums in ganz Europa in einer Konferenz geplant und beschlossen haben. Man sieht da „echte Nazis“ in Uniform – z.B. spielt Schauspielstar Philipp Hochmair den Polizeigeneral, SS-Obergruppenführer und Leiter des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) Reinhard Heydrich, der von Göring den Auftrag erhalten hatte, die „Endlösung der Judenfrage“ (also die völlige Vernichtung) zu organisieren.
Ich verstehe, wenn ein Herbert Kickl sich da distanziert. Nein, die FPÖ organisiert (meines Wissens) nicht in Uniformen militärisch planend die Vernichtung eines Volkes. Aber man sieht im Film auch die prominenten Mitläufer aus der hohen Beamtenschaft, ohne die der Vernichtungsfeldzug gegen eine große Gruppe der Bevölkerung nicht möglich gewesen wäre. Das waren auch Nazis; man braucht – um als (Neo-)Nazi Rassist zu sein und die (parlamentarische) Demokratie für Quatsch zu halten – keine SS-Uniform. Nicht die macht den (Neo-)Nazi.
Die NSDAP-Nazis haben die Shoah, die Vernichtung der Juden geplant und begonnen. Die FPÖ arbeitet mit Rechtsextremen zusammen, die Hunderttausende deutsche und österreichische Staatsbürger*innen „remigrieren“ wollen: ausweisen, nach Nordafrika oder in den Nahen Osten verbringen wollen. Die FPÖ arbeitet mit diesen Leuten zusammen; sie würde sog. „Identitäre“ auch zu parlamentarischen Mitarbeitern machen. Meines Erachtens wäre die Durchsetzung der österreichischen Staatsverwaltung mit Neonazis im o.a. Sinn die katastrophalste Folge einer FPÖ-ÖVP-Koalition. Das müsste auch den ÖVP-Funktionär*innen klar sein.
Ich würde den Film „Die Wannseekonferenz“ als Pflichtfortbildung für alle ÖVP- und FPÖ-Koalitionsverhandler empfehlen.
[…] FPÖ kann man als „extrem rechts“ – „am Rand“ beschreiben; das ist m.E. okay. Das gibt es wesentlich mehr als bloß Indizien. Die SPÖ am anderen „Rand“ als […]