michael bürkle

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Michael Bürkle

Ralf Rangnick analysiert

Gestern konnte man in der ZiB 2 des ORF ein 10-minütiges Interview mit Ralf Rangnick hören. Ich habe in einer breiter angelegten Analyse des Phänomes Fußball schon vor dem Interview gelobt, wie differenziert sich der neue Trainer der Nationalmannschaft äußern kann und wie wohltuend ich diese Differenziertheit empfinde. Ich hätte sie gern auch anderswo.

In den letzten 4 Minuten des Interviews zwischen Marie-Claire Zimmermann (MCZ) und Ralf Rangnick (RR) – ab 06:18 – wurde Rangnick politisch. Hier ist ein Transkript dieses Teils, damit man das in aller Ruhe nachlesen kann:

[06:18]

MCZ: Diese Europameisterschaft findet in Zeiten politischer Spannungen, vielleicht sogar politischer Umbrüche statt. Der französische Fußballstar Kylian Mbappé hat schon für Aufsehen gesorgt vor Beginn der EM, als er sich Gedanken gemacht hat über das Erstarken der extremen Rechten in Frankreich. Sie selber haben vor einigen Wochen im Standard in einem Interview gemeint: „ich sehe die Gefahr, dass die Rechtsextremen an die Macht kommen und sie einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen“. Und Sie appellieren an die Menschen aus der Geschichte zu lernen. Das sind eigentlich Aussagen, die kennt man hierzulande zumindest eher von Künstlern, dass die sich positionieren, dass die mahnend den Zeigefinger heben. Inwiefern sehen Sie es denn auch als Aufgabe eines Sportlers sich politisch zu äußern?

RR: Ja ich bin ja nicht nur Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft, sondern gleichzeitig auch Vater zweier inzwischen erwachsener Söhne und hoffentlich irgendwann auch mal Großvater. Und bin jemand, der sich schon auch in jungen Jahren immer wieder auch für gesellschaftspolitische Themen interessiert hat. Und ich glaube, wir leben jetzt in so einer bewegten Zeit, wo man nicht mehr sagen kann, das eine ist Sport und das andere ist Politik und die zwei Dinge haben nichts miteinander zu tun. Ich halte es schon für wichtig, dass Personen, die dann eben auch in der Öffentlichkeit stehen, zu diesen Themen auch Position beziehen und das hab ich versucht zu tun und – da bleib ich auch dabei – ich glaube, gerade die Geschichte unserer beiden Länder Österreich und Deutschland in den letzten 100 Jahren sollte uns eigentlich Lehre genug sein. Wenn man nach diesen 100 Jahren immer noch nicht verstanden hat, was uns regelmäßig ins Verderben geführt hat und wirklich zu den schlimmsten Verwerfungen geführt hat, die man sich nur vorstellen kann, dem kann man wirklich nicht helfen. Und deswegen bleib ich dabei: wir brauchen gerade auf diesem rechten Auge müssen wir sehr wachsam sein und sehr sehr aufpassen. Und die Entwicklungen, die gerade in beiden Ländern diesbezüglich stattfinden, die kann man nicht wirklich gutheißen.

MCZ: Sie sagen jetzt, Sie sagen das als jemand, der in der Öffentlichkeit steht. Kommt dem Fußball da auch eine besondere Bedeutung zu? Fußball ist ja ein Teamsport, in Fußballvereinen spielen ja auch viele Menschen mit Migrationshintergrund.

RR: Ja. Sie sagen das grade völlig richtig. Unsere Nationalmannschaft, genauso wie die Nationalmannschaft Deutschlands oder auch unseres nächsten Gegners, der Türkei oder – wir können die Mannschaften durchgehen – in Frankreich ist es genau so, in Belgien. Wenn man sich vorstellt, wie heterogen diese Mannschaften zusammengestellt sind, und zwar sowohl was die soziale Herkunft angeht als auch was die Herkunft angeht, wo man geboren ist, oder wo die Eltern oder Großeltern aufgewachsen sind. Ein besseres Beispiel für – ja – für Diversität, für Zusammenhalt, für Team-, für Teamsport als den Fußball kann es nicht geben. Und gerade die Nationalmannschaften sind ein Musterbeispiel dafür. Und wenn man sieht, wie unsere Mannschaft unterstützt wird, David Alaba und seine Vorfahren kommen auch aus sogar ganz anderen Kontinenten teilweise und wenn man sieht, wie er sich hier aufopfert: er ist als non-playing captain mit dabei. Ich glaube, so was ist eigentlich in allen anderen Ländern fast unvorstellbar: dass ein Spieler, der gerade in einer Reha steckt nach einem Kreuzbandriss seinen kompletten Urlaub opfert, weil er bei der Mannschaft sein will, weil er mit dabei sein will, weil er mit seiner ganzen Erfahrung mir als Teamchef, meinem Trainerstab aber auch den Spielern zur Seite steht, wenn man gesehen hat, wie er mitgefiebert hat auch in diesen letzten drei Spielen: so stell ich mir nicht nur Fußball vor, sondern so stell ichs mir auch im normalen Leben vor: dass wir uns gegenseitig schätzen, dass wir uns wertschätzen, dass wir uns anerkennen und nicht nach irgendwelchen Kriterien Menschen bewerten, die über das Zwischenmenschliche hinausgeht.

Ich ahne einiges, was die derzeitige österreichische Fußballnationalmannschaft so erfolgreich macht.


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