Prüfungen sind ein integrierender Bestandteil eines Lehrerlebens. Gerade habe ich einen Maturatermin hinter mir: 35 neue MaturantInnen. Aber auch 10 Fehlversuche. Und 5 krankheits- und nervenbedingte Nicht-Antritte. Daneben laufen Kolloquien und Nachschularbeiten und und und.
Obwohl Prüfungen zum Job des Lehrers dazugehören, werden sie in vielen Fällen gesondert bezahlt. Rein finanziell hätte es Sinn, 5er zu geben. Dann bekommt man noch einmal Geld für die Wiederholungsprüfung. Ich glaube allerdings fest, nein: ich bin mir absolut sicher, dass das eigentlich nie eine Rolle spielt. (Würde sich Prüferverhalten ändern, wenn es für einen 5er keine Prüfungsgebühr gäbe? Würde sich Prüferverhalten ändern, wenn es gar keine Prüfungsgebühren gäbe?)
Der Artikel bedient sich aus bestimmten Gründen eines generischen Maskulinums. Man verzeihe: es ist Absicht.
„Ein Narr kann mehr fragen als sieben Weise beantworten“ – Volksweisheit über Narren und Weise, quantitativer Natur („mehr“, „sieben“)
Dagegen setze ich:
Ein Weiser kann so fragen, dass auch N…icht so weise Menschen antworten können – meine Gegenformulierung über Weise und „Narren“, qualitativer Natur („so“). Schon Sokrates habe so gearbeitet.
Ein schlechter Prüfer demonstriert dem Prüfling, was er nicht kann – ja, das kennen wir. „Defizitorientiertheit“ – eine alte Lehrerkrankheit. Wir lernen als Lehrer, vor allem das Unzureichende zu sehen und zu beurteilen.
Dagegen setze ich:
Ein guter Prüfer schafft dem Prüfling Raum, in dem er zeigen kann, was er kann – ich glaube, das Beste, was man über einen Lehrer / Prüfer sagen kann: „er sieht das Positive!“ (Mit dieser Begründung hat eine Gruppe Eltern am BG S. einmal durchgesetzt, dass ihre Kinder den Deutschlehrer behalten konnten. Der Direktor war gegen das Argument wehrlos.)
Nicht jeder gute Lehrer ist ein guter Prüfer.
Nicht jeder schlechte Prüfer war ein schlechter Lehrer.
Nicht jeder gute Prüfer war ein guter Lehrer.
Sollen wir die Rollen Lehrer und Prüfer trennen? Allgemein? Die Zentralmatura ist ein Schritt dorthin.
Oder ist das alles falsch, weil die Rolle Prüfer der Rolle Lehrer eben inhärent ist? Kann ein guter Lehrer also sowieso nur sein, wer auch ein guter Prüfer ist? Dann müsste das oben lauten: „Nicht jeder gute Erklärer ist ein guter Prüfer.“ Oder so …
Wenn du als Lehrer viele Fünfer gibst:
Bist du ein schlechter Lehrer? – weil dein Unterricht viele Misserfolge produziert?
Bist du ein guter Lehrer? – weil du selektiv bist? („Bei mir kommt nicht jeder durch“)?
Bist du ein schlechter Prüfer? – weil du die Fähigkeiten deiner Prüflinge falsch einschätzt?
Bist du ein guter Prüfer? – weil du die Unfähigkeiten deiner Prüflinge richtig einschätzt?
Man kann das auch umdrehen: wenn du als Lehrer keine 5er hast …
… bist du ein guter Lehrer? – weil dein Unterricht nur Erfolge produziert?
… bist du ein schlechter Lehrer? – weil du nicht selektiv bist? („Bei dir kommt ja jeder durch“)?
Wenn Deine Noten nach einer Gauß’schen Glockenkurve normalverteilt sind: dann hast Du immer ein paar „Sehr gut“ – auch wenn diese Mängel aufweisen. Und Du hast aber auch ein paar „Nicht genügend“, auch wenn die eigentlich ganz gut sind.
Normalverteilung (der Noten, der Leistungsbeurteilungen, der Leistungen) kann kein Bildungsziel sein.
Klar: letztlich geht es immer darum zu beurteilen, inwieweit Prüflinge gesellschaftlich wichtiges Wissen und wichtige Fähigkeiten erworben haben. Und zwar objektiv, valide und reliabel. Es braucht Qualitätssicherung; es hat keinen Sinn, „Gnade vor Recht“ walten zu lassen, wenn damit letztlich Menschen zu geringe Fähigkeiten entwickeln. Wir bekommen dann schlechtere LehrerInnen, schlechtere ÄrztInnen, schlechtere PolitikerInnen. Und so weiter. Das kann niemand wollen.