Klima vs. Energie
Ich hatte heute sehr netten Besuch – mit interessanten Diskussionen. Mein Freund D. betrachtet die Klimakatastrophe als Folge der Energiekrise. Ich war und bin schon lang der gegenteiligen Meinung: ich halte die Klimakatastrophe für das Grundübel und die Energiepreise nur für die Folge.
D. sieht als Energiekrise nicht – vor allem – den momentan besonders hohen Preis von Gas, Öl und Strom. Für D. ist die Energiekrise der seit Jahrzehnten – wenn nicht Jahrhunderten – maßlose Umgang des Menschen mit Energie. Große Teile der Menschheit definieren Fortschritt und Wohlergehen über den Energieverbrauch. Ja: wir wollen schnell überall mit dem Auto hinfahren; wenn es über die Grenze geht, wollen wir fliegen; wir wollen Produkte verwenden, in die in der Produktion schon viel Energie hineinfließen musste. Weil wir als Menschheit höchst unvernünftig mit Energie umgehen, haben wir das Klima aus dem Gleichgewicht gebracht. Das äußert sich in Wetterkatastrophen und Klimaveränderungen, die unsere Wirtschaft gefährden oder zerstören.
Ich sehe das eh auch so.
Ich meine aber, dass viele Menschen unter der „Energiekrise“ die in den letzten Jahren – wenn nicht Jahrzehnten – mehr oder weniger kontinuierlich gestiegenen Energiepreise verstehen. Die sind natürlich auch eine Folge der Klimakatastrophe. Fossile Brennstoffe – Kohle, Öl, Gas – gehen aus und werden deshalb tendenziell immer teurer, und zwar ziemlich unabhängig von „Putin“. Wir beschädigen nachhaltig das globale Klima und haben dann mit den Kosten zu kämpfen.
Es stimmt beides, denke ich. Klimakatastrophe und Energiekrise sind zwei Seiten ein und desselben Problems. Ich werde da in Zukunft genauer formulieren. Was Ursache und was Folge ist, hängt auch davon ab, was man unter der Energiekrise genau versteht. Seit 1972 warnt der Club of Rome mit den „Grenzen des Wachstums“ vor der Klimakatastrophe, aber auch vor den ökonomischen Folgen. Die Energiekrise als katastrophal unvernünftiges Umgehen mit Energie ist eine Ursache; die Energiekrise als enormer Inflationstreiber ist eine Folge.
In Wirklichkeit ist unsere „Art des Wirtschaftens“ das Grundproblem. Der globale Kapitalismus erhitzt das Klima global und macht – u.a. – Energie immer teurer.
Der Kohlenstoffkreislauf
Es gibt auf dem Planeten einen Kohlenstoffkreislauf. Wir Menschen – und die Tiere – atmen Sauerstoff ein und CO2 aus und beziehen daraus Energie, die wir für das Leben brauchen. Die Pflanzen machen das Gegenteil: sie „inhalieren“ in der „Photosynthese“ CO2 und geben Sauerstoff ab. Mit der Energie aus der Sonne erzeugen sie aus dem „inhalierten“ Kohlenstoff Holz, Wurzeln, Blätter, Blüten, Früchte usw.
Das wäre an sich sehr schön im Gleichgewicht – seit Millionen Jahren.
Viel vom Kohlenstoff auf dem Planeten ist in der Tiefe verborgen. Wir holen den als Kohle, Öl und Gas aus der Tiefe und bringen diesen Kohlenstoff als CO2 zusätzlich in den Kreislauf ein. Dieses zusätzliche CO2 wirkt sich als zusätzliches Treibhausgas aus und stört das über Millionen Jahre entstandene Gleichgewicht. Der Planet heizt auf.
Wenn wir 5 Stockwerke zu Fuß gehen, atmen wir CO2 aus. Das ist Kohlenstoff, den wir davor irgendwann gegessen haben. Wenn wir mit dem Lift fahren, entsteht auch CO2 – aber das ist Kohlenstoff, der zum bestehenden Kreislauf dazu tritt. Das CO2 ist chemisch dasselbe, aber in der Ökonomie des Planeten ist das ausgeatmete CO2 ein Teil des Kreislaufs, also ein Durchlaufposten, während das CO2 über Motorentreibstoffe effektiv dazu kommt.
Krisenzusammenhänge
Letztlich hängt eh alles zusammen. Der globale Kapitalismus holzt Wälder ab, heizt damit das Klima auf, führt u.a. zu neuen Krankheiten („Zoonosen“), weil Menschheit und Tierwelt einander zu nahe kommen und Infektionen vom Tier zum Menschen überspringen; durch die Globalisierung werden aus lokalen Epidemien Pandemien; durch die Klimaerhitzung gehen im großen Maßstab Böden verloren, weil der globale Wasserspiegel steigt; durch den Verlust von Siedlungsgebieten in enormem Ausmaß enstehen Kriege um Land und Wasser und Rohstoffe und enorme Fluchtbewegungen, weil sich Menschen in Sicherheit bringen wollen.