1. Wahlbewegung VdB
Die Kampagne für die Wiederwahl von Präsident van der Bellen verläuft an sich recht gut. Laut veröffentlichtem Wahlbudget liegt Van der Bellen am 12.9. bei einem Gesamtbetrag von 1,3 Millionen €; davon sind mittlerweile weniger als 2/3 (ca. 62%) aus der Grünen Parteiorganisation; ein knappes Viertel von insgesamt 19 Großspendern (jeweils über 3.500 €) und mittlerweile bereits 14% von knapp 1.000 Kleinspendern (zwischen 1 Cent und 3.400 €):
Die Basis der Kleinspender hat sich gegenüber den Übersichten zuvor (z.B. am 29.8. bzw. am 15.8.) spürbar verbreitert; der Anteil der grünen Parteispenden ist etwas zurückgegangen; der Anteil der Großspender ist in etwa gleich geblieben. Auch der (durchschnittliche) tägliche Zuwachs zum Wahlkampfbudget ist in etwa konstant: derzeit über 8.000 € (gegenüber 9.000 € am 29.8. und 4.500 € am 15.8.). Offensichtlich können sich immer mehr Menschen davon überzeugen, dass die Kandidatur von Van der Bellen richtig und wichtig ist. Das machen auch Testimonials als „Stimmen für VdB“ deutlich, in denen prominente und nicht-prominente Menschen mit Name, (meist) Foto und statement für Van der Bellen eintreten. Insgesamt müssten das schon ca. 600 sein.
Natürlich polarisiert die Persönlichkeit Van der Bellen in manchen Bereichen. Jeder Mensch, der sich öffentlich für eine liberale, solidarische Gesellschaft einsetzt, bringt diverse politische Egoisten gegen sich auf, auch öffentlich, in den a-sozialen Medien. Da muss man heute durch – leider!
2. Unterstützungserklärungen
Van der Bellen hat ca. 24.600 Unterstützungserklärungen vorgelegt; das ist heuer die bei weitem größte Anzahl aller Kandidaten. Ohne eine formelle Parteiunterstützung – auch die Unterstützung der Grünen Partei hielt sich bei der Sammlung von Unterstützungserklärungen in relativ engen Grenzen – ist das eine ausgezeichnete Zahl. Nur Andreas Khol als offizieller ÖVP-Kandidat und Rudolf Hundstorfer als offizieller SPÖ-Kandidat hatten im Jahr 2016 (mit ca. 40.800 bzw. 30.700) mehr Unterstützungserklärungen. FPÖ-Kandidat Hofer hatte 2016 ca. 20.000 Erklärungen vorgelegt; FPÖ-Kandidat Rosenkranz 2022 nur mehr etwa 18.500. Van der Bellen hat auch seine eigene Marke von 2016 (17.136 Unterstützungen) klar übertroffen.
Also: auch das läuft nicht schlecht.
3. Wahlumfragen
Hier sieht es neblig aus: es gibt kaum welche, vor allem keine seriösen. Eine erste Umfrage noch im August vor Nennungsschluss der Kandidaturen hatte 66% für Van der Bellen ergeben.
Seither habe ich (und hat auch die Wikipedia) nur von 2 österreichweiten Umfragen zur Präsidentschaftswahl vernommen, beide vom Meinungsforschungsinstitut Market-Lazarsfeld für den Medienkonzern OE24. Jetzt muss man bei OE24 immer davon ausgehen, dass veröffentlichte Daten falsch sein können – wir wissen das mindestens aus den Meinungsforschungsskandalen rund um die Namen Kurz / Schmid / Karmasin / Beinschab. Da kann alles getrickst und geschoben sein; da muss nichts stimmen. Da kann man sich auf nichts verlassen. Trotzdem …
Am 8.9. hatte Market-Lazarsfeld Van der Bellen auf 45%, Rosenkranz auf 18%, Wlazny auf 14% und Wallentin auf 10%. Das bräuchte eine Stichwahl. Eine Woche später (gestern, am 15.9.) war Van der Bellen auf 51%, Rosenkranz nur mehr bei 14%, Wlazny nur mehr auf 13% und alle anderen unter 10%. Das bräuchte keine Stichwahl.
Was war geschehen? Dazwischen lag der Fernsehwettstreit der Elefäntchen-Runde der 6 Kandidaten, die neu antraten, und diese Fernsehrunde soll recht enttäuschend bzw. geradezu ernüchternd gewesen sein.
Van der Bellen hat 6 Gegenkandidaten: da kann die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang schon schwierig werden. (Wenn da jeder 9% macht, geht sich das schon nicht mehr aus.) Interessant wird vielleicht noch, wer in eine Stichwahl gegen Van der Bellen kommen könnte, wenn AvdB die absolute nicht gleich schafft: derzeit sähe es nach Rosenkranz oder auch Wlazny aus. Eine Stichwahl Van der Bellen gegen Wlazny – das hätte was.
Nachtrag am 17.9.:
Heute (17.9.) ist noch eine Umfrage zur Präsidentschaftswahl erschienen, von „Unique Research“ im Auftrag des Magazins „profil“, telefonisch und online, 1.600 Befragte zwischen 7. und 15.9., Schwankungsbreite 2,5%-punkte.
Die ist vermutlich deutlich seriöser als die Umfragen für oe24; in der Wikipedia wird sie bereits gelistet. Da sieht es so aus:
Van der Bellen 59% gegenüber …
Rosenkranz 13%, Grosz 9%, Wallentin 8%, Wlazny 7%, Brunner 2%, Staudinger 2%
„Taktisches Wählen“ ist unnötig und bringt nichts.
Das einzige, was mir bei der Bundespräsidentenwahl derzeit Kopfweh macht, ist die Vorstellung, Alexander Van der Bellen könnte was Ernstes passieren. Wir haben derzeit keinen seriösen Zweitkandidaten (Zweitkandidatin) in petto. M.E. ist niemand der anderen 6 ernsthaft geeignet; manche wären Katastrophen!
4. ein „Wahlprogramm“?
Ich habe gegenüber dem Team Van der Bellen kritisiert, dass Alexander Van der Bellen nicht eine Art Wahlprogramm vorgelegt hat und habe so etwas eingemahnt – das muss auch nicht so heißen. Ich denke, man muss sich als Wählerin oder Wähler schnell ein Bild über die Kandidaten machen können. Das Team Van der Bellen hat mir mitgeteilt, dass kein Wahlprogramm geplant sei; es gebe aber einen zusammenhängenden Text auf der Wahlkampfseite. Ja, der ist einigermaßen geeignet. Und geht so:
Aus ganzem Herzen Österreich.
Das Gute, Einzigartige und Schöne zu bewahren und mitzunehmen in die Zukunft. Darum geht es in den kommenden sechs Jahren. Österreich ist ein großartiges Land. Und gerade weil wir vor außerordentlichen Herausforderungen stehen, sollten wir uns auf unsere Stärken besinnen. Wir haben in der Vergangenheit immer dann Lösungen für unsere Probleme gefunden, wenn wir – über Parteigrenzen hinweg – zusammengearbeitet haben. Wie kein Präsident vor ihm steht Van der Bellen für Hoffnung und Zuversicht. Eine bessere Zukunft ist möglich, wenn wir gemeinsam anpacken und an uns glauben. An Österreich glauben.
Vernunft und Stabilität in stürmischen Zeiten.
Nach sehr herausfordernden Jahren wissen die Bürgerinnen und Bürger sehr genau: Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist auch in den größten Krisen ein verlässlicher Fels in der Brandung unserer Republik Österreich. Mit ruhiger und umsichtiger Hand ist es ihm gelungen, das Land durch die größten innenpolitischen Turbulenzen zu navigieren. Die Aufgabe eines Politikers, einer Politikerin ist zu führen. Und nicht zu verführen. Es ist unsere Pflicht, die eigenen Fähigkeiten nicht für Eitelkeit oder Eigennutz einzusetzen, sondern mit ganzer Kraft für eine bessere Zukunft zu arbeiten.
Alexander Van der Bellen wird auch in Zukunft sehr verantwortungsvoll, unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen klare Entscheidungen treffen.
Zum Wohle aller Menschen in Österreich.
Zusammenhalt macht uns sicher.
Wir leben in einer unruhigen Zeit, einer Zeit der großen Veränderungen. Die Bürgerinnen und Bürger haben viele berechtigte Sorgen und Ängste. Wir alle sind unmittelbar von der Teuerung betroffen, manche sogar existenziell bedroht. Was wir jetzt brauchen, in Europa und in Österreich, ist Solidarität, Geschlossenheit und Entschlossenheit. Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Wir dürfen niemanden zurücklassen. Jede Österreicherin und jeder Österreicher, der oder die hier geschwächt wird, muss die Solidarität von uns allen spüren und sich in Österreich sicher fühlen. Wir lassen in Österreich niemanden allein.
Alexander Van der Bellen baut als überparteilicher Bundespräsident Brücken und schafft es, Interessen zusammenzuführen.
Denn nur der Zusammenhalt macht uns sicher.
Mit Österreich spielt man nicht.
Die Verfassung gibt dem Bundespräsidenten einige weitreichende Instrumente in die Hand. Es ist eine große Verantwortung, damit sehr sorgsam und verantwortungsvoll umzugehen. Der Bundespräsident hat die Pflicht für Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Er hat Österreich nach innen und nach außen gut und verantwortungsvoll zu vertreten.
Ein guter Bundespräsident verbindet, baut Brücken und führt Interessen zusammen. Denn wer Österreich liebt, spaltet es nicht.
Wir brauchen gerade jetzt Politikerinnen und Politiker, die führen und nicht verführen. Die nicht mit vermeintlich einfachen Antworten an niedere Instinkte von Menschen appellieren. Wir müssen in Österreich die Probleme beim Namen nennen. Wir müssen hart arbeiten und Lösungen finden. Zum Wohle unseres vielgeliebten Österreichs. Dafür steht Alexander Van der Bellen.
Was mir daran besonders gefällt: Van der Bellen geht am Schluss relativ direkt auf beide Populismen ein, die derzeit die politische Auseinandersetzung dominieren: den Populismus der „vermeintlich einfachen Antworten“, der sich an die „niederen Instinkte“ wendet, und den Populismus, der die echten Probleme nicht „beim Namen nennt“.