Plätschern am Strand von Corona

Über die Menschheit braust ein Tsunami hinweg. In Europa ist er vorbei: da sind wir bereits mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt. In Nord- und Südamerika wütet die Flutwelle noch. Der Rest des Globus ist in verschiedenen Stadien.

Die Zahlen am 5.7.

Wir haben über 8 Millionen Krankheitsfälle gezählt; wir haben über 400.000 Corona-Tote gezählt. Knapp 5% der festgestellten Erkrankten (von 20 etwa einer) sterben – in Wirklichkeit viel weniger, denn sehr viele Erkrankungen werden gar nicht bemerkt: weil sie fast ohne Symptome verlaufen oder weil sie in Gegenden stattfinden, in denen keine seriöse Datenerhebung erfolgt.

Die statistische Übersicht der am meisten betroffenen Länder nach der Johns Hopkins University:

Es ist eine Seuche; wir haben noch kein Medikament gegen sie und noch keine Impfung. 400.000 festgestellte Verstorbene sind kein Klacks. (Gut: im Verhältnis dazu, dass weltweit über 800 Millionen Menschen hungern, ist jede Seuche – Corona, Ebola, Cholera, HIV – ein Klacks.) Über Europa ist der Sturm hinweggezogen und wir sitzen nun am Strand von Corona und stellen Plätschern fest. Da ein Wellchen, dort ein Wellchen. Manche Länder gehen mit den prophylaktischen Maßnahmen wieder nach unten – z.B. Österreich. Und wir stellen fest: aus einer Zunahme der Infektionen von 20, 30, max. 40 pro Tag ist schnell wieder eine Zunahme von über 100 geworden – wir sind bei den täglichen Neuinfektionen wieder dort, wo im März der Tsunami entstand. In Oberösterreich werden wieder Schulen geschlossen – aber diesmal nur mehr bezirksweise. In manchen Ländern wird das Zurückfahren des Lockdwowns wieder zurückgefahren: Maskenpflicht, Abstandspflicht werden wieder verordnet, denn die Infektionszahlen beginnen wieder zu steigen. Wir werden im Herbst und Winter zu den üblichen Viren noch SARS-CoV-2 zusätzlich zu verarbeiten haben.

Tägliche Zunahme an Corona-Infektionen in Österreich, jeweils 8 Uhr früh

Wir werden uns an Corona gewöhnen müssen, bis es eine definitive Impfung oder ein wirkliches Medikament gibt.

Kommt die zweite Welle?

Sie ist schon da. Aber sie ist noch kein Tsunami. Unsere Zivilisation hat einiges gelernt. Wir machen contact tracing und können Infektionswege schnell zurückverfolgen. Die „zweite Welle“ ist einstweilen ein Plätschern von mehr oder weniger großen Wellen, da und dort, hüben und drüben. Aber mir ist völlig klar, dass die Corona-See jederzeit wieder stürmisch werden kann, mit meterhohen Wellen, die deswegen noch lange keine Tsunamis sind.

Das Plätschern hat etwas Beruhigendes – aber es ist eine trügerische Ruhe.

Und wie soll man sich verhalten? Allgemeines Maskentragen?

Ich bin für vernünftiges Verhalten. Ich trage im Normalfall keine Maske – aber in öffentlichen Verkehrsmitteln und in der Apotheke schon. (Meine Apotheke ist der einzige Ort, an dem ich gebeten wurde, eine Maske zu tragen.) Ich halte durchaus Abstand, wo ich nicht sicher bin, aber ich komme auch in die Nähe, wo ich denn sicher bin. Ich habe als Direktor eine Maturafeier für knapp 100 Personen veranstaltet – aber wir haben sie nicht im geschlossenen Raum abgehalten, sondern im Schulhof, also in frischer Luft; ich habe die Zeugnisse nicht per Handschlag überreicht, sondern das Zeugnis hat die Berührung erzeugt. Die Maturantinnen und Maturanten und ihre Familienangehörigen sind locker gesessen, nicht eng gedrängt. Es war eine sehr nette und nach diesem Semester auch eine notwendige Feier – und es ist kein Cluster entstanden.