michael bürkle

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Michael Bürkle

ORF-Beitrag: eine Zumutung?

Ein umstrittenes Thema, geeigneter Diskussionsstoff

Ich habe gute Freunde, die den „neuen“ ORF-Beitrag nicht einsehen. Manche von ihnen versichern glaubwürdig, dass sie den ORF nicht verwenden: sie sprechen als Muttersprache Aramäisch und haben ein ziemlich anderes Medienverhalten als wir. Manche betrachten den „neuen“ ORF-Beitrag als mediale Zumutung und sind aus politischen Gründen dagegen.

Ich meinerseits finde den neuen ORF-Beitrag sinnvoll, obwohl ich mehr bezahle als bisher: wir haben keinen Fernseher und hatten deshalb bisher nur unser Radio angemeldet. Der „neue“ ORF-Beitrag kostet mehr.

Allerdings ist die Konzeption, eine Rundfunkgebühr an Radio- oder Fernsehgeräte zu binden, m.E. überholt. Wir haben heute eine multimediale Vielfalt; jedes smartphone kann jederzeit „Rundfunk“ und „Fernsehen“ empfangen. Es war notwendig, das auf eine neue gesetzliche Basis zu stellen.

Nun hat ein Freund von mir, der Schriftsteller Helmuth Schönauer, mir einen sehr interessanten Text zur Verfügung gestellt. Ich stimme mit diesem Text nicht überein, aber ich finde es sehr wertvoll, die Argumente zu diskutieren:

Helmuth Schönauers „Stichpunkt Zwangsinformation“

STICHPUNKT 24|42

Zwangsinformation

Der Regimekritiker Alexei Nawalny musste als besondere Form der Demütigung in seinen diversen Zellen immer ein Porträt Putins anstarren, es handelte sich um eine „Informationskampagne“, damit der Delinquent wüsste, wer zur Zeit oberster Chef im Lande sei.

Ähnliches passiert in Tausenden Haushalten Österreichs, wenn als besondere Form der Demütigung durch die Regierenden in jede Wohnung zwangsweise der ORF hineinimplementiert wird. Auch hier handelt es sich naturgemäß um eine „Informationskampagne“.

Dieser Vergleich ist natürlich literarisch überhöht und soll keine Gleichschaltung zwischen Russland und Österreich bedeuten.

Für den ORF freilich ist diese Zwangslage des Publikums verheerend.

– Aus der Pädagogik wissen wir, dass Zwang so gut wie das mieseste Mittel ist, um eine Information an den Adressaten zu bringen.

– Aus der Kirche kann ich austreten, aus dem ORF nicht! Allein diese Ausweglosigkeit des freien Willens macht ganze Bevölkerungsschichten zu natürlichen Feinden des ORF, der Regierung und aller Politisierenden, die diese Zwangsverordnung installiert haben.

– Da die FPÖ momentan die einzige Kraft ist, die der Zwangsverordnung Herr zu werden verspricht, entsteht bei den Wählenden zusätzlicher Leidensdruck, entscheiden zu müssen, was das größere Übel ist. Der ORF, wo ich nicht auskann, oder die FPÖ, wo ich wahrscheinlich hin muss, um dem ORF zu entkommen.

– Wenn das Info-Unternehmen sich als Feind in die Haushalte schleicht, werden automatisch alle ORF-Angestellten zu Feinden der freiwilligen Information. „ORF wie wir“ hat es einmal geheißen, mittlerweile wollen wir mit denen nichts mehr zu tun haben.

– Letztlich ergeht es dem ORF wie der seinerzeitigen Impfkampagne: Die Sache entgleist und kann nicht mehr eingefangen werden.

– Zurück bleiben verbale Radikalisierung und Brutalisierung.

Und wenn dann ein radikalisierter Schriftsteller in der Slowakei auf den eigenen Ministerpräsidenten schießt, sind wir mitten in einem entgleisten System, das nicht einmal wir Schriftsteller uns für Geschichten ausmalen wollen.

Weg mit der ORF Zwangsgebühr als ersten Schritt zur Deradikalisierung!

Helmuth Schönauer, Schriftsteller 17/05/24

Ich bin da in Vielem anderer Meinung

Ich halte den Vergleich mit Russland für völlig überzogen, fast schon unverantwortlich. Ich halte die Gegenüberstellung ORF vs. FPÖ für falsch: die FPÖ wird uns niemals irgendeine Freiheit des Rundfunks oder der Medien „retten“: die würde – „zack zack zack“ – sich den öffentlichen Rundfunk so schnell wie möglich unter den Nagel reißen. Ich halte auch die Gegenüberstellung Kirchenaustritt vs. ORF-„Austritt“ für schief.

Für mich ist der ORF auch kein „Feind“, der sich in meinen Haushalt schleicht. Ich kann die Sendungen ja jederzeit ausschalten. Und ich fühle mich von vielen ORF-Sendungen an sich sehr gut informiert: wir haben hervorragende Journalistinnen und Journalisten dort: z.B. Armin Wolf und Susanne Schnabl, um nur zwei zu nennen: die bereiten sich sehr genau vor und scheuen keine Frage. Das Unterhaltungsprogramm? Naja. Das brauch ich nicht. Obwohl auch gute Teile dabei sind. Man muss sie halt suchen.

Ich glaube, das Missverständnis besteht vor allem im Namen. Der „neue“ ORF-Beitrag ist m.E. eigentlich ein „Beitrag für die Sicherung einer medialen Grundversorgung“. Die mediale Grundversorgung besorgt zu einem guten Teil der ORF, also soll er auch die in Österreich dafür eingehobene Abgabe bekommen. Die einzige öffentlich-rechtliche Zeitung, die „Wiener Zeitung“, hat ja nicht überlebt. Aber „Zeitungen“ sind halt „alt“.

Mit der Bitte um und dem Vorschlag zur Diskussion

Der Beitrag Helmuth Schönauers ist eine große Chance. Ich lade zur Diskussion ein, sachlich-argumentativ. Man kann am Ende jedes Blog-Artikels seine eigene Meinung dazuschreiben. Man muss dazu einen Namen eingeben und eine Mail-Adresse. Der Name kann auch ein Pseudonym sein, die Mail-Adresse erfahre nur ich, die wird sowieso nie veröffentlicht.

Bisher habe ich alle Zuschriften veröffentlicht – bis auf eine, die war in chinesischen Schriftzeichen, da konnte ich nicht ermitteln, was der Inhalt war. Ich veröffentliche alle Zuschriften, die sich an eine grundsätzliche „Netiquette“ halten, also nicht persönlich beleidigend sind oder nachweislich erlogen bzw. „kontrafaktisch“. (Ich würde ungern Flat-Earth- oder Hohlwelt-„Theorien“ diskutieren.) Auch Werbungen werde ich außen vorhalten. (Ich muss jede einzelne Äußerung freigeben.)


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