Neue Vorschläge
In Österreich sind von Seiten der Regierung neue Vorschläge zur Behebung von Krisensituationen in einigen Berufsfeldern gekommen. Pensionist*innen sollen in der Pflege als „Lückenfüller“ dienen; Soldat*innen sollen in den Schulen den Lehrermangel beheben.
Das zeigt schon ein erschreckend hohes Ausmaß an Hilflosigkeit. Man sollte für diese Berufe eine attraktive Ausbildung und eine vernünftige Entlohnung anbieten. Das wäre Pflicht einer Regierung – mein ich halt.
Bildung und Pflege sind bei uns Stiefkinder des beruflichen Systems.
Pflege: Pensionist*innen
Ich kann mir schon vorstellen, dass sich viele Pensionist*innen aus eigener Erfahrung schon ganz gut mit Pflegeutensilien auskennen: aber das kann doch nicht die Maxime sein! Gegen freiwilliges Mithelfen in der Pflege ist nichts zu sagen: das gibt es schon, auf kirchlicher Basis oder über Sozial-NGOs. Aber wir brauchen eine echte Investition in die Pflege, also auch in die Pflegeberufe.
(Dass es über die bloße Kommunikationsbereitschaft noch echter Pflegekompetenzen bedarf, die alles andere als selbstverständlich sind, wird allzu optimistisch übergangen.)
Schule: Soldat*innen
Ähnlich bei den Soldat*innen. Schule ist oft durch schwierige kommunikative Situationen gekennzeichnet: 20 Kinder / Jugendliche / Erwachsene, 1 Lehrperson. 1 vs. 20: das geht gut im „Vortrag“, in der „Rede“, aber nicht in einem modernen Unterricht in komplexen Kommunikationsformen. Und Kommunikation „auf Augenhöhe“ wird nicht immer möglich sein – wäre aber immer das Ziel. Soldat*innen im Heer lernen dem gegenüber zunächst vor allem eine Kommunikationsstruktur kennen: den Befehl. Der ist für die Schule nicht geeignet. Da müssten viele Soldat*innen noch sehr umlernen.
(Dass es über die Kommunikativität hinaus noch einiger Fach- und Sachkompetenz bedarf, wird stillschweigend „übersehen“.)
Doch die Idee ist so neu gar nicht: Man hat schon früher Veteranen – alte, kriegsversehrte Soldaten – bisweilen in ihrem Alter als Lehrer eingesetzt, z.B. in Preußen:
Schon unter Friedrich Wilhelm I., Friedrichs Vater, war der Nachweis, Soldat gewesen zu sein, ein ausreichendes Kriterium für eine Anstellung als Lehrer. So verlangte er in einer Anweisung an seine neue Oberbehörde, das so genannte Generaldirektorium, dass für alle niederen Ämter, dazu zählte auch das Schulmeisteramt, ’niemand anderes als Invaliden, Unteroffiziere und Soldaten employirt‘ werden.
(Friedl 2008 93f.)
Wir – übrigens auch die in „Preußen“ – sind davon bald wieder abgekommen; mit guten Gründen:
Diese Art und Weise, den verdienten Soldaten den „Dank des Vaterlandes“ zu erweisen, war für den preußischen Staat gleichzeitig auch eine kostengünstige Lösung der Altersversorgung der Veteranen. Nach übereinstimmenden Berichten waren in der Zeit Friedrichs II. allerdings nur 79 von 4000 in Frage kommenden Invaliden, trotz geringster Anforderungen, für den Lehrberuf geeignet; die gängige Vorstellung von der Dominanz ausgedienter Soldaten stimmte offensichtlich mit der Schulwirklichkeit nicht überein
(Friedl 2008 94)
Ja, auch in Preußen war das erste Kriterium die „Kostengünstigkeit“; dass sich das nicht so ohne Weiteres von der Sache her spielte, sah man offenbar erst im zweiten Schritt ein – aber immerhin: man sah es. Deshalb waren es nie „Massen“ von Veteranen, die da in den Lehrberuf strömten. Es hat nicht gepasst: Die Kommunikationsformen zwischen Militär und Schule sind nun einmal nicht kompatibel, sondern in Vielem gegensätzlich.
Keine Notlösungen in Schule und Pflege
Schule und Pflege sind gesellschaftlich extrem wichtige Bereiche. Wir müssen da (fast) alle irgendwie durch. Es braucht da gut ausgebildete und ordentlich bezahlte Arbeitskräfte – keine Notlösungen.
Lit.: Anton Friedl (2008): Lehrer und Schüler im Spannungsfeld von Gesellschaft und Ideologie – ein historischer Abriss. Diss. Graz