michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

„Neues“ zur Integration. Neu?

Thema 1: 1-Euro-Jobs

Integrationsminister Sebastian Kurz fordert „gemeinnützige“ 1-Euro-Jobs für arbeitslose Flüchtlinge.

Ich bin dafür, dass arbeitslose und arbeitsfähige Menschen zu gemeinnützigen Tätigkeiten herangezogen werden können. Aber wenn es nützliche Tätigkeiten sind – und das müssen sie sein – dann gibt es auch einen Gegenwert dazu. Und das kann nicht 1 Euro pro Stunde sein. Nützliche Tätigkeiten ja, aber mit adäquater Entlohnung. Sonst untergraben wir Sozialstandards für alle: Flüchtlinge und Einheimische.

Thema 2: Vollverschleierung von Muslimas

Kurz fordert ein Verbot von Burka und Niqab

Vor 2 Jahren, am 10.7.2014, hat Kurz im Parlament noch darauf hingewiesen, dass es in Österreich neben ein paar Touristinnen aus dem arabischen Raum ca. 100 bis 150 Frauen gibt, die sich völlig (oder bis auf die Augen) verschleiern. Damals sah Kurz noch kein Problem; er wies damals auch darauf hin, dass die entsprechenden Touristinnen viel Geld ausgeben.

(Naja: wenn „die Fremden“ zahlen, sind es Touristen und es ist kein Problem. Das haben „wir Österreicher“ im Tourismus oft so gehandhabt. Da war auch auf Tiroler Alpen viel möglich.)

Jetzt geht es um die derzeit ca. 150 Frauen, die hier leben und sich verschleiern.

Ich bin Lehrer und habe viel mit islamischen Studierenden zu tun. Ich habe allerdings noch nie eine Schülerin mit Vollverschleierung gehabt. Aber ich täte mir sehr schwer damit. Ich möchte wissen, wen ich unterrichte; ich möchte Reaktionen sehen: zustimmende, ablehnende, kapierende, nicht-verstehende; Unterricht ist ein kommunikativer Prozess, der gegenseitige Wahrnehmung erfordert. Ich möchte, ich muss mindestens ein Gesicht sehen von den Menschen, die ich unterrichte: Augen, Nase, Mund. Mimik. (Ich möchte auch nicht junge Männer mit verspiegelten Sonnenbrillen unterrichten; ich würde sie auffordern, das Ding abzusetzen. Ich fordere auch auf, im Unterricht Ohrenstöpsel abzunehmen.)

Ich kann Irritationen bei Vollverschleierung sehr gut verstehen; ich bin selbst irritiert, wenn ich vollverschleierte Frauen sehe. Ich hoffe, dass sie sich freiwillig verschleiern und nicht gezwungen sind dazu. (Ich denke, es gibt Frauen, die den Schleier freiwillig tragen. Es ist nur nicht überprüfbar. Freiwilligkeit ist an sich schlecht überprüfbar.)

Andererseits gibt es so etwas wie bürgerliche Freiheiten, die auch die Kleidung umfassen. Wir haben in unserer Gesellschaft hier Mindestanforderungen. Ich kann nicht in der Badehose unterrichten, sogar wenn es heiß ist. (Naja: wenn ich Sportlehrer wäre und einen Schwimmkurs abhielte, wärs normal.) Wir sind fast überall zu einem Minimum an Kleidung gezwungen – außer in entsprechenden Zonen wie FKK-Stränden. Nacktheit erregt oft „öffentliches Ärgernis“. Die Minimalstandards unserer Kleidungsregeln sind oft nicht schriftlich verfasst, sondern durch die Tradition gegeben. Aber sie greifen in die absolute Kleidungsfreiheit ein. Wir können uns nicht überall kleiden, wie wir wollen.

Jetzt geht es nicht um Minimalstandards, sondern mit Burka und Niqab um Maximalvarianten.

Ich denke, ein Verbot von Burka und Niqab widerspricht unseren seit 1789 hart erkämpften bürgerlichen Freiheiten. Wenn eine Frau sich verschleiern will, soll sie das dürfen. Nein: jeder Mensch, der sich verschleiern will, soll das dürfen. Aber: kein Mensch soll sich verschleiern müssen. (Gegenüber Religionsvorschriften müssen die bürgerlichen Freiheiten dominieren.)

Meines Erachtens gibt es aber Ausnahmen und die sind wichtig. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) sagt:

Da, wo man Gesicht zeigen soll und muss: da darf es keine Vollverschleierung geben. Bei den Meldeämtern, beim Standesamt, bei Demonstrationen, dann natürlich, wenn man in den Schulen ist, als Schüler oder als Lehrer, im gesamten öffentlichen Dienst, vor Gericht, da hat die Vollverschleierung nichts zu suchen.

Dem stimme ich zu. Das werde ich auch als Lehrer einfordern.

Es geht nicht um Vollverschleierung an sich, sondern um die Wahrung der Möglichkeit zur Kommunikation, wo das nötig ist. Und Kommunikation ist nicht nur der Austausch von Worten.


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michael b.
michael b.
8 Jahre alt

ABER …
Kommunikation ist in unserer Gesellschaft immer notwendig. Unsere Gesellschaft basiert auf Kommunikation. Gesichtsschleier – aber auch Sonnenbrillen, Vollvisierhelme (wenn nicht beim Motorradfahren) – verhindern in einem bestimmten Ausmaß Kommunikation. Wer mit aufgesetztem Vollvisierhelm ein Juweliergeschäft oder eine Bank betritt, macht sich schon dadurch verdächtig.
Wie weit geht das Prinzip der Kommunikativität? Wie weit wollen wir Mitglieder der Gesellschaft akzeptieren, die offensichtlich nicht oder nur sehr eingeschränkt kommunizieren wollen? Wie gesagt: in bestimmten Situationen ist auf jeden Fall Kommunikationsbereitschaft und damit Gesicht erforderlich. Aber allgemein?
???
m.b.

michael b.
michael b.
8 Jahre alt
Reply to  michael b.

sich maskieren um unerkannt schindluder bis verbrechen zu begehen taucht als phänomen der „creepy clowns“ aktuell in den usa und england als neuer trend auf. wenn das schule macht, sind wir von einem allgemeinen maskierungs- und vermummungsverbot nicht mehr weit weg. dann werden niqab und burka auch nicht mehr möglich sein.
der erste banküberfall per burka würde díe diskussion auch schnell beenden.
m.b.

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