Eine Rede zur Zeugnisverteilung. Ich hatte sie so geplant und hab sie auch (in etwa, ganz gelingts mir nie) so gehalten. Als Motto hatte man mir „Gipfelsieg“ gestellt
Liebe Maturantinnen und Maturanten, liebe Freunde, liebe Familienmitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gipfelsieg. Ein schönes Motto, das mir da vorgegeben wurde.
Ja, so eine Matura ist schon so etwas wie ein Gipfelsieg. 36 MaturantInnen haben einen gewissen Höhepunkt in ihrem Leben erreicht. Sie erreichen damit Rechte: Rechte für ein Studium, Rechte für ein anderes Gehaltsschema. Sie stehen jetzt auf einem Gipfel – und Sie werden in manchen Fächern nie mehr so viel wissen wie heute. Dafür werden Sie auch neue, noch höhere Gipfel erklimmen. Sie haben jetzt schon eine andere Aussicht gewonnen: Ihr Weg kann Sie noch zu ganz anderen Aussichten führen.
Was haben wir als Abendgymnasium dazu beigetragen? Wir waren ein bisschen Ausrüster für Sie: Sie haben von uns Dinge mitbekommen, die Sie auf dem Weg zum Gipfel gebraucht haben: Seile, Haken, Karabiner. Wasserflaschen, Jacken für kalte Nächte, Rucksäcke, mehr oder weniger schwere. Wir waren auch Bergführer und haben Ihnen Routenpläne vorgeschlagen – und Sie haben sich oft daran gehalten und sind manchmal auch völlig eigene Routen geklettert.
36 Gipfelsiege also heute: 18 Frauen, 18 Männer, 4 mit ausgezeichnetem Erfolg, 5 mit gutem Erfolg. 30 wirtschaftkundliche Gipfelsiege, 5 realgymnasiale, 1 gymnasialer. Die erste Maturantin aus dem Geburtsjahr 2000; ein Maturant mit 48, der mehr als doppelt so alt ist wie sie.
Insgesamt haben wir in diesem Schuljahr mit Herbst- und Wintertermin nun schon 88 Gipfelsiege.
Ich will bei dieser Maturafeier ein paar kurze Gedanken an die richten, die noch kurz vor dem Gipfel stehen, die die letzten Meter noch nicht gepackt haben, die irgendwo in einem Biwak noch auf den nächsten Gipfelansturm warten. Es waren insgesamt 20, so viele wie noch nie in den letzten 7 Jahren. Man kann über Gründe nachdenken, und wir tun das auch. Manches deutet darauf hin, dass wir es mit einer Generation von Gipfelstürmern zu tun haben, die sich absolut auf GPS verlassen; die keine Wanderkarten mehr lesen wollen, die mit einem langfristigen Vorbereitungspozess Schwierigkeiten haben. Wir werden da als Ausrüster und Bergführer neue Wege finden müssen.
Der Sachverhalt zeigt aber auch, was die Leistungen dieser 36 Gipfelsieger wert sind. Die Matura ist nichts, was man sich hier ersitzen kann. Alle 36 haben große Leistungen vollbracht – auf durchaus individuellen Routen. Manche waren mit Bedacht und Planung lange und sorgfältig unterwegs, haben Zwischenlager eingerichtet; manche haben das sozusagen im Sprint gemacht – in einem durch vom Tal bis zum Gipfel. Egal, es gibt bei uns viele Wege.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren nächsten Gipfeltouren. Ich glaube, Sie sind gut vorbereitet.