Die zentrale Mathe-Matura ist wieder schlecht ausgefallen. Tausende junge Menschen (scheinen zu) verzweifeln. Bei Torbergs „Schüler Gerber“ 1930 war die Matura noch nicht zentral, aber in Mathe trotzdem tödlich.
Hat sich nichts geändert?
Der Grüne Jugendsprecher Schmid hat jedenfalls heute vorgeschlagen, die Mathe-Matura nicht mehr verpflichtend, sondern nur mehr zu Wahl zu stellen. Freilich solle Mathe bis zuletzt Pflichtfach bleiben. Die Diskussion um Nivellierung nach unten ist schon losgebrochen.
[Randbemerkung: wenn etwas nicht so funktioniert, wie es soll, sollte man es zunächst reparieren. Nicht wegwerfen. Auch und gerade aus grüner Sicht.]
Also ich könnte mit dem Vorschlag Schmids leben. Sogar recht gut. Mathematik ist zweifelsohne ein extrem wichtiges Fach. Unsere ganze Gesellschaft ist von Mathematik durchsetzt; mathematisches Denken ist in mannigfacher Weise gefordert und gehört gefördert. Ob das Mathematikunterricht immer leistet, ist aber nicht sicher. Dass das die neuen „zentral-standardisierten“ Prüfungsformate erst recht nicht leisten, scheint mir evident. Multiple-choice-Aufgaben können mathematisches Denken nicht wirklich abbilden. Aber sie sind zentral stellbar und leicht korrigierbar. Und man kann mit ihnen halbwegs ein gewisses „Minimum“ (mehr aber auch nicht) sicherstellen. (Obwohl: eine gut organisierte Maturaklasse kann sich mit einfachen Zeichensystemen gut ausmachen, was wo wie anzukreuzen sei. Das soll auch fallweise vorkommen.)
Wichtig ist ein guter, ein sehr guter Mathematik-Unterricht. Die verpflichtende Mathe-Matura ist viel weniger wichtig.
Ich wäre strikt gegen einen Abbau des Fachs Mathematik, er wäre für unsere Gesellschaft das falscheste. Ich bin für einen modernen Mathematik-Unterricht, dessen Ziel weder das Ausrechnen hochziselierter Spezialaufgaben noch das Abhaken von letztlich banalen Standard-Fragebögen sein kann. Ziel des Mathematik-Unterrichts muss die Schulung und Anwendung logischen Denkens, präzisen Formulierens (auch in Form von Formeln) und rationalen Argumentierens sein. Das steht eigentlich schon im Lehrplan. Schon lang!
Mathe-Matura als Wahlfach könnte sogar für diejenigen, die das dann machen, einen echten Qualitätsgewinn bedeuten. „Ach, Sie haben in Mathe maturiert? Interessant!“
Aus dem Mathe-Lehrplan (Teil „Aspekte der Mathematik“):
„Mathematik ist eine Schulung des Denkens, in der Arbeitstechniken vermittelt, Strategien aufgebaut, Phantasie angeregt und Kreativität gefördert werden“
„Mathematik ist ein elaboriertes Begriffsnetz, ein ständiges Bemühen um exakten Ausdruck, in dem die Fähigkeit zum Argumentieren, Kritisieren und Urteilen entwickelt sowie die sprachliche Ausdrucksfähigkeit gefördert werden“
„Mathematik ist eine spezielle Form der Erfassung unserer Erfahrungswelt; sie ist eine spezifische Art, die Erscheinungen der Welt wahrzunehmen und durch Abstraktion zu verstehen; Mathematisierung eines realen Phänomens kann die Alltagserfahrung wesentlich vertiefen“