Ein tollkühner Schritt?
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat nach einer ziemlich schlecht ausgegangenen Europa-Wahl die französische Nationalversammlung sehr flott neu wählen lassen.
Was zunächst wie eine Panik-Reaktion aussah, hat Erfolg gehabt. Das rechtsextreme Rassemblement National (RN) ist mit 143 Mandaten nur Dritter geworden; Macrons eigenes Bündnis Ensemble liegt mit 168 Mandaten am zweiten Platz; gewonnen hat die Wahl das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) mit 182 Mandaten. Die restlichen 84 Mandate verteilen sich auf zahlreiche kleinere Parteien von links bis rechts.
Das RN von Marine Le Pen hat zwar deutlich an Mandaten zugelegt; es ist aber bei Weitem am Wahlziel einer absoluten Mehrheit gescheitert. Das liegt an Macron: er hat das französischen Wahlrecht verstanden und angewendet.
Das Wahlrecht
Frankreich wählt die Nationalversammlung in 2 Durchgängen. Es handelt sich bei der Wahl – ähnlich wie im UK – um viele einzelne Wahlen: i.W. je eine pro Wahlkreis. Es gilt das Prinzip der „Romanischen Mehrheitswahl“: Im ersten Wahlgang gilt für den Wahlkreis gewählt, wer mehr als 50% der Stimmen auf sich vereinigt – wenn das insgesamt auch mehr als 25% der Wahlberechtigten umfasst. Im zweiten Wahlgang treten normalerweise die beiden stimmenstärksten Bewerber*innen aus dem ersten Wahlgang an; es können aber alle antreten, die im ersten Wahlgang mindestens ein Achtel (12,5%) der gültigen Stimmen erzielt haben – also durchaus auch mehr als zwei. Im zweiten Wahlgang reicht dann die relative Mehrheit: man braucht nicht unbedingt 50%, um gewählt zu sein.
Macron hat es geschafft, zwischen seinem Wahlbündnis und der NFP zu vereinbaren, dass auf den zweiten Wahlgang hin Kandidaturen beider Wahlbündnisse zugunsten von Kandidaturen des jeweils anderen Bündnisses zurückgezogen werden, wenn damit ein Sieg des RN verhindert werden könnte. Das ist etwa 200 mal geschehen!
Die Situation jetzt
Wir haben eine sehr andere Situation als in Österreich. Wir haben viele Parteien, die sich durchaus anlassbezogen (und bedingt durch das Wahlrecht) zu Bündnissen zusammenschließen. Die großen „Blöcke“ sind z.T. Fiktionen.
Es gibt nun 3 dieser großen „Blöcke“ in der Nationalversammlung: den „linken“ Block NFP, das i.W. liberale Macron-Bündnis Ensemble und RN – und dazu noch zahlreiche kleine von links bis rechts. Der linke Block ist dabei ziemlich divers: da gibt es zahlreiche Parteien, die in einigen Bereichen durchaus verschiedene Positionen beziehen; das hat sich in der Vergangenheit auch schon in gescheiterten Fraktionsbildungen geäußert. Jean-Luc Mélenchon, ein äußerst – naja: – „kantiger“ Linkspolitiker hat dort nicht mehr unbedingt das Sagen: den Vorsitz teilen sich 5 andere Vertreter*innen der Mitgliedsparteien. Auch eine grüne Premierministerin wäre denkbar: Marine Tondelier.
Spekuliert Macron?
Ich könnte mir vorstellen, dass Macron damit spekuliert, dass sein Bündnis – das auch in einem gewissen Ausmaß divers ist – mit „konstruktiven“ Teilen der Linken (oder was er dafür hält) eine gemeinsame Regierung zusammenbringt. Ein Mittelding aus Koalition und Cohabitation.
Jedenfalls sitzt Macron mit dem zweitgrößten „Block“ in der Mitte des politischen Spektrums und hat theoretisch viele Möglichkeiten.
Voyons!
Also Melenchon als „kantigen Linkspolitiker“ zu bezeichnen, das finde ich schon beinahe etwas zu übertrieben höflich. 🙂
Meiner Meinung ist Melenchon schlichtweg gefährlich – weil wegen solcher Leute brechen Menschen mittlerweile mit linken Parteien, die noch tatsächlich links und keine bloßen „Lifestyle-Linken“ sind.
D.h. „linke“ Politiker wie Melenchon et al. sind meiner Meinung nach ebenfalls de facto Steigbügelhalter für die Rechten – aber halt leider so verblendet in ihrem möchtegern-linken Denken, dass sie das gar nicht bemerken.
ich hab ihn als „äußerst – naja: – „kantig““ bezeichnet. ich hab da leider keinen platz und auch nicht die zeit, den herrn da ausführlich abzuhandeln. kommt vielleicht noch, je nachdem, ob er da eine größere rolle spielen wird. hat vielleicht auch mit altersweisheit vs. altersstarrsinn zu tun
> kommt vielleicht noch, je nachdem, ob er da eine größere rolle spielen wird Okay, schau ma mal – ehrlich gesagt wär mir allerdings lieber, du bekommst da keinen Grund zum Schreiben, weil in Frankreich hoffentlich klügere Leute in der Regierung sitzen werden, die nicht so dermaßen weit nach „links“ abgedriftet sind, dass sie à la Hufeisenschema schon fast wieder auf der rechten Seite des politischen Spektrums rauskommen. Alleine mit seiner Parteinahme für die Hamas (d.h. er unterstützt da de facto eine fundamentalistische religiöse Terrororganisation, und das ausgerechnet als Linker – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!)… Mehr »
[…] hat klug taktiert; ich denk, das war absehbar. Auf der Basis seines mittleren Blocks wird er nun sehr wahrscheinlich Partner für eine Regierung […]