Stand der Dinge
Nach der Zustimmung der österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler beim Rat der EU-Umweltminister*innen zum Renaturierungsgesetz tobt die ÖVP – und kündigt Klagen an. Das eine ist eine Nichtigkeitsbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof; das andere ist eine Amtsmissbrauchsklage nach österreichischem Strafrecht.
Österreichische Rechtsexperten sehen aber in beiden Fällen nur geringe Chancen. Womöglich handelt es sich halt nicht um Amtsmissbrauch, sondern um den politisch vorgesehenen Gebrauch eines Amts, der lediglich dem, was sich die ÖVP so vorstellt, widerspricht.
Die Ministerin ist gut gewappnet: auf der web site des Ministeriums finden sich unter den Veröffentlichungen gemäß B-VG, Artikel 20 Absatz 5 einige relevante Gutachten angesehener Juristinnen und Juristen zu den Möglichkeiten der Ministerin:
- Gutachten zu „Information für den Bundeskanzler zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur
- Rechtsgutachten zur Bindungswirkung der Länderstellungnahmen betreffend die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur
- Rechtsgutachten zu Fragen der Anwendbarkeit des Art 23d Abs. 2 B-VG bei Vorleigen einer einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer zun Entwurf der Wiederherstellungs-VO der Europäischen Union
- Ergänzendes Gutachten zum „Rechtsgutachten zu Fragen der Anwendbarkeit des Art 23d Abs 2 B-VG bei Vorliegen einer einheitlichen Stellungnahme der österreichischen Bundesländer zum Entwurf der Wiederherstellungs-VO der Europäischen Union vom 17.4.2023
- Die Stellungnahmen der Bundesländer zur Renaturierungsverordnung: Auswirkungen von Änderungen des Textes auf deren Verbindlichkeit
Offensichtlich hat sich Ministerin Gewessler auf die Sitzung im Rat sehr gut vorbereitet.
Sukkus aller Gutachten: was die Ministerin da machen will, liegt durchaus im Bereich ihrer Möglichkeiten.
Wie geht es weiter?
Nehammer, Edtstadler und Stocker haben die o.a. Klagen angedroht; eingebracht sind sie noch nicht. Gleichzeitig will Nehammer mit der Regierung – und da gehört auch diese Umweltministerin dazu – noch weiter arbeiten.
Ich glaube, es gibt 2 Möglichkeiten:
a) Die Klagen werden in den nächsten Tagen eingebracht – und es beginnen Fristen zu laufen. Gleichzeitig ist Wahlkampf und am 29.9. ist Nationalratswahl. Da werden die Klagen keine großen Rollen spielen können; jedenfalls wird es zu ihnen noch keine Entscheide geben. Irgendwann wird man in einer kleinen Notiz lesen können, dass die eine oder die andere Klage eingestellt worden ist – oder beide.
b) Es ist eh schon Wahlkampf und die Parteien haben anderes zu tun. Womöglich kommt die ÖVP zum Schluss, dass es doch gescheiter ist, sich hoffnungslose Klagen einfach zu sparen. In ein paar Tagen spricht dann eh niemand mehr von Nichtigkeitsbeschwerde und Amtsmissbrauchsklage. Unter Umständen kommen ein paar Bauernfunktionäre drauf, dass die Behauptungen, mit denen man ihnen vor der Renaturierung Angst gemacht hat, eh nicht stimmen.
… noch möglich …
Kanzler Nehammer hat nach der EU-Wahl gemeint, er habe die Botschaft verstanden. Jetzt wäre eine Möglichkeit, das Verstandene umzusetzen – und Vernunft anzunehmen.
heute, 20.6., will die övp offenbar doch eine amtsmissbrauchsklage gegen min. gewessler einbringen. der klagetext liege dem orf vor. er enthält die vorwürfe, mit den bundesländern und mit dem landwirtschaftsminister kein einvernehmen hergestellt zu haben. die ebenfalls angekündigte nichtigkeitsbeschwerde scheint aber bereits vom tisch zu sein: es seien keine weiteren anzeigen geplant – schreibt der orf. naja: nachdem zum zeitpunkt der zustimmung gewesslers die bundesländer untereinander kein einvernehmen in der sache renaturierung mehr hatten, bleibt nur mehr der vorwurf, mit dem lw-minister kein einverständnis erzielt zu haben. das einverständnis auf ministerebene war aber auch seitens der övp keineswegs immer gegeben;… Mehr »