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Michael Bürkle

„Keine Parteigrenzen für Klimapolitik“

Die Scientists for Future in Deutschland haben (bereits) am 1. September ein fundamentales Papier zur deutschen Klimapolitik verfasst und online gestellt. Ich möchte den Text hier zur Gänze wiedergeben – er passt auch voll zur österreichischen Situation:

Der Text von S4F.de

Keine Parteigrenzen für Klimapolitik

Ein Plädoyer für eine überparteiliche Klimapolitik innerhalb der planetaren Grenzen

Berlin, 30.08.2023 | Die bisher vorliegenden politischen Vorschläge zur Bekämpfung der Klimakrise sind sowohl vonseiten der Regierung als auch der parlamentarischen Opposition in ihrer Gesamtheit noch immer nicht der realen Größe des Problems angemessen, sondern reflektieren überwiegend parteipolitisch motivierte Erwägungen. Anlässlich der Beendigung der parlamentarischen Sommerpause fordern über 400 Wissenschaftler:innen in einer aus den Reihen von Scientists for Future (S4F) initiierten Stellungnahme dazu auf, diese traditionellen Politikmuster zu überwinden und sich parteiübergreifend den naturgesetzlich vorgegebenen Notwendigkeiten zu stellen.

In ihrem Papier stellen die Wissenschaftler:innen fest, dass die auf uns zukommende Klimakatastrophe erdgeschichtliches Ausmaß hat und dass die Menschheit noch nie in ihrer Geschichte vor einer derartigen, den gesamten Planeten Erde betreffenden Heraus­forderung stand: „Die durch den Menschen geprägte geologische Epoche steht für eine umgreifende Nachhaltigkeitskrise, die alle Teile des Erdsystems erfasst hat“, sagt dazu S4F-Mitglied Wolfgang Cramer, Professor für Globale Ökologie. „Vor einer solchen Aufgabe stand die Menschheit noch nie. Diese Situation erfordert Maßnahmen, die sich mit der überkommenen politischen Rollenverteilung nicht mehr bewältigen lassen.“

Um die Hürden des parteipolitischen Systems zukunftsweisend zu überwinden, halten es die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für unabdingbar, überparteilich die Zukunft und Wohlfahrt unseres Landes im internationalen Verbund zu sichern. Angesichts der globalen Dimension der Krise empfehlen sie als Basis für eine koordinierte, der Dramatik angemessene und ambitionierte Klimapolitik drei konkrete Kriterien. Der Klima- und Erdsystem­forscher Wolfgang Lucht erläutert: „Zwischen den jetzt stattfindenden Katastrophen und noch viel dramatischeren Folgen der Klimaerhitzung steht allein, wie stark wir die noch zulässigen Treibhausgasemissionen begrenzen. Ein maximales Kontingent für Deutschland, das international gerecht ist und die Erderwärmung auf 1,5 Grad eingrenzt, wurde im Pariser Klima-Abkommen von allen Nationen beschlossen und kann als Maßstab dienen. Es fußt auf den wissenschaftlichen Analysen des Weltklimarates IPCC.“

Der kürzlich vorgestellte Sachstandsbericht des Expertenrats Klima (ERK) stellt das Fehlen eines Gesamtkonzepts für die deutsche Klimapolitik fest. Die Scientists fordern ebenfalls ein konsequenteres Handeln und schlagen der Politik eine überparteiliche Initiative vor, die über das traditionelle, kurzsichtige und von parteipolitischen Interessengruppen geprägte Handeln hinausgeht.

Wie die gesamte Gesellschaft, so muss auch die Politik lernen, dass die Nachhaltigkeitskrise räumlich und zeitlich global umfassend ist. Die  Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch, wie und wie schnell wir handeln. Diese fundamental neue Problemstellung betrifft nicht nur die politische Interessen­vertretung durch Parteien, sondern auch die Funktion von Opposition und Regierung im Parlament. Die Krise erfordert neues Handeln, es bedarf daher einer Überwindung der althergebrachten Politikmuster. Dieses parteiübergreifend umzusetzen, muss allerdings schnell geschehen, denn die Natur lässt uns keine Zeit mehr. Sie hat ihre eigenen Gesetze, und sie folgt nur diesen.

Die vollständige Empfehlung findet sich hier: https://info-de.scientists4future.org/keine-parteigrenzen-fur-die-klimapolitik

Kommentar

Ja, ich finde das, was die deutschen Kolleg*innen da verfasst haben, sehr richtig. Genau so müsste es sein. Genau das wäre notwendig.

ABER:

Es gibt einen grundlegenden „Fehler“ im Positionspapier der S4F.de: es ist ein an sich gescheites Papier, das halt leider in unserem politischen System Unmögliches fordert: keine Parteigrenzen. Parteigrenzen sind in unserem politischen System ein definierendes Merkmal. Da müsste schon eine objektiv wahrnehmbare Bedrohung auftauchen, dass Parteigrenzen überwunden werden. Und für viele (Politiker) ist der Klimawandel zwar klar, dass er aber eine Bedrohung, eine Klimakrise ist, die zur Klimakatastrophe werden kann, können und wollen viele noch nicht wahrhaben.

Motto: „Es ist noch immer gut gegangen“.

Jeder Mensch, der gestorben ist, konnte vor seinem Tod der Ansicht sein, dass noch immer alles gut gegangen ist. Es geht immer alles gut – bis zum Schluss.

Dass „noch immer alles gut gegangen“ ist, ist kein Beweis, dass auch die Klimakrise noch ein gutes Ende nehmen wird. Im Gegensatz zu allen anderen Krisen, die mehr oder minder unmittelbar wahrnehmbar sind – Pandemie, Krieg, Inflation, … – wird sich die Klimakrise erst in der (nahen) Zukunft voll auswirken – und wir müssten aber jetzt – JETZT! – etwas dagegen tun. Was zu tun wäre, ist an sich klar – man könnte sich zum Beispiel an den 93 Empfehlungen des Klimarats orientieren, aber das bedeutet von alten Gewohnheiten Abschied zu nehmen. Und das will in einem Wahljahr keine Partei; kaum eine.


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