Ein neuer ÖVP-Stil: Herablassung und Abkanzeln?
Vorgestern (11.1.) in der Zeit im Bild 2. Zu Gast bei Moderator Martin Thür ist der Kanzler, Karl Nehammer.
Das Gespräch gerät rasch (beinahe) aus den Fugen. Beide unterbrechen einander fortwährend: Der Kanzler den Journalisten mit falschen Anschuldigungen, der Journalist den Kanzler mit der Verteidigung, das, was ihm Nehammer unterstelle, habe er nicht gesagt und nicht gefragt.
Ich habe mir das Interview abgespeichert und kann es für Medienforschungszwecke gerne auch zur Verfügung stellen. Ich habs mir ein paar Mal angesehen und es ist eindeutig. Der Kanzler hört nicht oder falsch zu und beantwortet wortreich Dinge, nach denen Thür – wirklich! – nicht gefragt hat.
Jetzt könnte man sagen: okay, ein unguter Ausritt des Kanzlers nach einer anstrengenden Regierungsklausur. Kann passieren … Alkohol wars nicht; warens Psychopharmaka?
Aber da ist noch mehr!
Staatssekretärin Plakolm im Interview mit Martha Krumpeck bei Armin Wolf: auch von einer arroganten Herablassung, auch nicht auf Fragen eingehend, aber dafür zum Angriff übergehend.
Ganz zu schweigen vom Nationalratspräsidenten Sobotka, der auch immer wieder und wiederholt in einer ungeheuer arroganten Herablassung auftritt.
Neue Schule?
Ist das die neue Schule der ÖVP? Rhetorik von oben herab; bloß nicht zuhören! Arrogant herablassend die Gesprächspartner spüren lassen, was man von ihnen hält. Ist es das?
Achtung: wenn es das ist: das spürt dann nicht nur der Gesprächspartner; das spürt auch das Publikum.
Das Gute
Das Programm des ORF macht mich oft nicht glücklich. Zuviel in Rot-Weiß-Rot. Zuviel Geplauder und Bla-Bla. Relativ gut sind die selbst gemachten Dokumentationen: Respekt vor der Arbeit von Lisa Gadenstätter und Hanno Settele. Und die Informationsarbeit des ORF ist spitze. Sie wird getragen von ausgezeichneten Journalisten und Journalistinnen, die sehr beschlagen sind und sich auch hervorragend auf ihre Aufgaben vorbereiten. Das gilt für das Radio Ö1 und für das Fernsehen. Armin Wolf ist einer der besten Interviewer im deutschen Sprachraum, denke ich. Und Martin Thür steht ihm um nichts mehr nach. Und das sind nicht die einzigen.
Gratulation an Herrn Thür dafür, dass er sich nicht niederreden ließ und auf seinen Fragen bestanden hat. Ich bin mir sicher, dass sich Martin Thür vom Ausritt des Kanzlers nicht beirren lässt. Und Nehammer ist zu empfehlen, von seiner Rolle als Abkanzler wieder wegzukommen. Die Rolle kommt gar nicht gut.