LTW Tirol: Der Jammer der Prognosen

Selten so willkürliche „Prognosen“ gesehen

Ich habe selten so divergente und willkürliche Wahlprognosen gesehen wie jene zur Landtagswahl in Tirol am 25.9. Ich habe folgende Umfrageergebnisse gefunden und gesammelt:

Die ersten beiden Spalten sind feste Daten (Parteien und ihr Prozentanteil bei der LTW 2108); alles andere ist Prognose oder vielleicht auch nur „Prognose“, vielleicht auch nur Kaffeesudleserei.

Ich verzeichne überall, welches Prognoseinstitut für welches Medium gearbeitet hat – so weit das überhaupt zu ermitteln war. Manchmal wurde von Medien ein Umfrageergebnis publiziert ohne dass vermerkt war, wer die Umfrage überhaupt in Auftrag gegeben hatte. Daten zur Umfrage waren überhaupt nur sehr selten vermerkt.

Als Umfrageinstitutionen traten durchaus erfahrene auf, allerdings auch eine neue: die Firma GMK aus Graz, ein Unternehmen, das sich als Werbeagentur, Marktforschungsunternehmen und als Consultingunternehmen anbietet. Die machen alles: von „Corporate Design“ über „Shop Design“, „Copy Writing“ (!?!? – ja; wirklich!), „Wahlforschung“, „Online Befragungen“ bis zur „Politikberatung“. Es sind die einzigen, die bei ihren „Forschungs“-„Ergebnissen“ Bereiche statt Zahlen angegeben haben (also bei der ÖVP z.B. „35-39“ – ich hab jeweils das Mittel genommen).

Die TT und die Bezirksblätter sprechen von der GMK-Umfrage, die der ÖVP / Mattle zwar Verluste, aber in sehr moderatem Ausmaß prophezeit: da kommt die ÖVP auf 35 bis 39%. Das ist weit über den anderen vorausgesagten ÖVP-Ergebnissen, die zwischen 25,3 % und 28 % liegen.

OE24 kommt mit der Umfrage von Market-Lazarsfeld für die Liste Fritz auf 15 % – das ist deutlich über allen anderen Voraussagen. IMAD für die Krone und SORA für den ORF haben die Liste Fritz immerhin bei 11 %; die Grazer GMK und Gallup aber unter 10 %.

Die Neos liegen einheitlich um die 6-8 %; nur IMAD hat sie bei 11,7. Die Grünen liegen bei IMAD über 12 % und bei Market-Lazarsfeld bei 8 %.  Usw. usf.

Was wissen wir?

Naja: wir werden bald wissen, wie die Wahl ausgegangen sein wird.

Wissen sollte man auch, dass wir uns auf Umfrageergebnisse nur sehr selten und höchstens halbwegs verlassen können. Das Umfragegeschäft ist in Österreich ein Marktplatz, auf dem sich nur wenige seriöse Händler, aber sehr viele unseriöse Marktschreier tummeln. Wir erfahren im Normalfall nur sehr selten, mit welchen Methoden untersucht worden ist, wie viele Menschen in welchem Zeitraum befragt worden sind, wie es um Sicherheit und Genauigkeit der Befragung bestellt ist.

Dazu kommt noch eines: es ist in Österreich offenbar üblich, Umfragen mit bestimmten Ergebnissen zu bestellen. Man kann Umfrageergebnisse kaufen. Wir erfahren sowieso praktisch nie, welche „Rohdaten“ bei einer Befragung tatsächlich herausgekommen sind: wir erfahren praktisch immer aus den Rohdaten „hochgerechnete“ Ergebnisse. (Wie da jeweils „hochgerechnet“ wird, kann ich mir leider sehr gut vorstellen, obwohl ich mir das eigentlich gar nicht vorstellen will.) Mit anderen Worten: jedes Umfrageinstitut und im Prinzip jeder Auftraggeber hat Interessen, die er durch die Publikation der Ergebnisse erfüllen will. Tricksen und Täuschen ist auf mehreren Ebenen möglich und üblich.

Wir werden bald wissen, wer auf dem Marktpklatz der Wahlprognostiker zu den seriösen gehört und wer nicht.

Quellen:

• kurier.at/chronik/oesterreich/tirol-wahl-oevp-stuerzt-in-umfrage-auf-26-prozent-ab/402130652
• www.vienna.at/oevp-laut-umfrage-bei-tirol-wahl-unter-30-prozent/7565650
• www.meinbezirk.at/tag/gmk
• www.oe24.at/oesterreich/politik/parteien/tirol-wahl-oevp-stuerzt-in-umfrage-auf-26-prozent-ab/529000717
• tirol.orf.at/stories/3174277/