michael bürkle

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Michael Bürkle

Interpretieren für Anfänger.
Anfänger?


über erste Schritte bei Textinterpretationen mit 15-jährigen Jugendlichen

„Interpretationen“ … für viele Menschen eine unangenehme Erinnerung an den Deutschunterricht. „Was wollte uns der Dichter damit sagen?“ war lange Zeit die leitende Frage vieler Deutschlehrer. „Ja woher soll ich das wissen“ die natürliche Reaktion drauf. Oft hat man sich auch lustig gemacht über die Interpretationswut der Germanisten. 1908 schon ließen Friedell und Polgar den Geist Goethes einem Maturanten zu Hilfe kommen – und Goethe selbst fiel bei dieser Reifeprüfung über sich selbst durch.

Ich habe in der 5a auch mit dem Interpretieren begonnen. Wir haben nicht so sehr Gedichte interpretiert – noch nicht!, sondern haben uns die „Creativen“ unseres Jahrhunderts bzw. ihre Produkte angesehen. In der Folge lesen Sie hier 2 Interpretationen von Werbeanzeigen. Ich denke, die Texte belegen eindrucksvoll, dass auch 15-jährige durch Nachdenken und „Sprechen“ (bzw. Schreiben) zu Einsichten über Wirkungen und Wirkungszusammenhänge kommen können, die auch für Erwachsene nicht selbstverständlich sind. Und das ist das Beste, was man von einer Interpretation erwarten kann: Einsichten, wie (ganz egal was für) ein Text funktioniert.

Die Texte waren Hausübungen. Sie sind hier in kaum veränderter (nur leicht korrigierter) Form. Die Sujets waren selbst gewählt.

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breitling

Inserat einer Uhr von Breitling

Was haben ein Flugzeug und eine Uhr gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig, doch auf den zweiten Blick ist eine große Gemeinsamkeit zu erkennen: Um zu funktionieren, bedarf es bei der Herstellung größter Präzision. Beim Flugzeug, damit der Motor läuft, bei der Uhr, damit das Uhrwerk läuft. Diese Gemeinsamkeit machte sich die Uhrenfirma Breitling zunutze, um für ihr neuestes Produkt zu werben. Im Folgendem möchte ich das angesprochene Werbeinserat beschreiben und mögliche Intentionen, die die Firma bei der Gestaltung der Werbung hatte, aufzeigen.

Die DinA4-seitige Werbung, die auf der Rückseite des letzten „profil“ erschienen ist, kann, grob betrachtet, in 3 Abschnitte unterteilt werden. Neben der bewussten bilingualen Gestaltung mit englischen und deutschen Wörtern fällt vor allem ein Stabreim auf: Im oberen Drittel stehen 4 jeweils 2 zusammengehörige, fettgedruckte, englische Wörter. Diese zwei Begriffe weisen indirekt auf die im 2. Abschnitt abgebildete Uhr hin. Wobei „Pure Performance“ und „Absolute Precision“ die Abbildung eines Sportflugzeuges mit dem „Prachtstück“ verschmelzen lassen. Mit „Pure Performance“, auf deutsch: reine Leistung, möchte man auf der einen Seite auf die Kraft des Fluggerätes und auf der anderen Seite auf die Leistung, die Lebensdauer und die Funktionen der Breitling hinweisen.

„Absolute Precision“, auf deutsch: absolute Genauigkeit, spricht abermals Flugzeug und Uhr an. Beim Flugobjekt meint man die perfekten Flugeigenschaften, die Agilität beim Wenden, bei der Uhr soll es eine Anspielung auf die Präzision, mit der sie angefertigt worden ist, sein.

Im zweiten Bild des Mitteldrittels, das vermutliche dieselbe Flugmaschine aus einer anderen Perspektive zeigt, kann man mit ein wenig Fantasie und Abstraktion eine Art von Uhr erkennen, da die Propeller, an ein Koordinatensystem erinnernd, ein Ziffernblatt darstellen. Hier erkennen wir eine Art „Vor- Stadium“ der im folgendem Bild vollendeten Uhr mit den Rotorblättern als Zeiger. Vermutlich ist das auch ein Aufmerksam-Machen auf das perfekte, präzise ausgearbeitete „Deckblatt“ der nun im dritten und letzten Bild abgebildeten Breitling.

Unter der Abbildung dieses Meisterwerks der Technik und Präzision ist eine kurze Beschreibung, die den Namen, das Material und die verschiedenen Funktionen beinhaltet. Mir scheint, dass dieser Luxus-Artikel speziell für Piloten entwickelt wurde. Dies ist gar nicht so abwegig, wenn man die kleine Beifügung am Breitling-Logo „Instruments for Professionals“ in Betracht zieht. Ansonsten ist die Wortwahl eher unpassend bzw. unverständlich. „Optionsmodul CO- Pilot für Flugzeitenmessung“ lässt uns vermuten, dass dieses Produkt nicht serienmäßig ist. „Offiziell COSC- zertifizierter Chronometer“ ist, wenn sich meine Vermutung der Piloten-Serie als falsch erweist, nicht für die breitere Öffentlichkeit konzipiert. Es klingt zwar professionell, doch wage ich zu behaupten, dass das die Wenigsten verstehen.

Abgeschlossen wird das Inserat mit der eigentlichen Werbung an sich, denn was nützt eine Werbung ohne Bekenner, ohne Logo? Die klein beigefügte Jahreszahl 1884 weist höchstwahrscheinlich auf das Gründungsjahr des Konzerns „Breitling“ hin und steht auf einem gelben, sehr auffallendem Textfeld, das Firmenname und das Logo enthält,.

Resümierend möchte ich anmerken, dass meiner Meinung nach diese Uhr nicht für den „durchschnittlichen“ Menschen ist, sondern für höhere (Vermögens-)Schichten entworfen wurde. Mit diesem Schmuckstück, um noch ein letztes Mal auf den Vergleich Flugzeug und Uhr zurückzukommen, hebt man ab und distanziert sich von der übrigen Gesellschaft.

J.G.

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rzb

Inserat der Raiffeisen-Zentralbank

Der Slogan „Unsere Experten machen bei Emissionen keine halben Sachen“ will vermitteln, dass die RZB (=Raffeisenzentralbank) die finanziellen Angelegenheiten ihrer Kunden genau und möglichst gut regelt.

Zwei Drittel des Blattes werden für den Werbetext gebraucht, in welchem ein Reim erkennbar ist (machenSachen). Auch auf die Schriftgröße, die in unterschiedlichster Form vorhanden ist, wird Wert gelegt. Auf den ersten Blick sticht dem Betrachter das Wort „keine“ heraus, das am größten geschrieben ist. Das Wort „keine“ bekommt noch zusätzlich eine stärkere Ausdruckskraft durch die darauf folgenden zwei Wörter „halben Sachen“, die schlichtweg ohne untere Hälfte der Buchstaben dastehen. Die „halben Sachen“ – nur zur Hälfte geschrieben, verdeutlichen zusätzlich das genaue und unfehlbare Arbeiten der Bank.

Der schwarze Text auf gelbem Hintergrund wirkt auf mich vertrauenseinflößend und sympathisch, aber auch alarmierend.

Im unteren Drittel des Inserates ist ein schwarz-weißes Bild zu sehen, welches eine Frau und einen Mann zeigt, die wiederum dasselbe Inserat in den Händen halten. Das Bild wird in sich wiederholt, da es sich auch noch einmal auf dem Blatt befindet, welches von den zwei Personen gehalten wird. Außerdem hält jeder von ihnen nur die Hälfte des Inserates, da es in der Mitte auseinander gerissen worden ist.

Meiner Meinung nach zeigt das zunächst einen Widerspruch zwischen Werbetext und Werbebild. Dem Slogan nach macht diese Bank KEINE halben Sachen. Das Bild jedoch zeigt die beiden Personen mit je einer Hälfte des Inserates, was in mir den Eindruck erweckt, dass einzelne Personen doch nur halbe Arbeit leisten. Außerdem könnte durch das zerrissene Blatt der Eindruck von Schlamperei entstehen und den Slogan „keine halben Sachen“ wiederlegen.

Ursprünglich will die Bank aber natürlich um die Gunst der Kunden werben und bestmögliche Arbeitsqualität vermitteln. Dass die zwei Personen gemeinsam doch ein ganzes Bild zeigen, soll vielleicht die Bedeutung von Teamarbeit im Interesse des Kunden vermitteln.

F.O.


erschienen in: Jahresbericht des BG/BRG Sillgasse. Schuljahr 2008/2009. S. 97ff.


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