michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Das Grüne Wahlergebnis

Ein schrecklicher Wahlkampf

Die Grünen haben in Österreich zur EU-Wahl einen völlig falsch angesetzten Wahlkampf geliefert. Auf den „genialen“ Einfall, eine parteipolitisch völlig freie Klimaaktivistin zur Spitzenkandidatin zu machen, geschah wochenlang ein Fehler nach dem anderen. Offensichtlich war niemand mit Frau Schilling mögliche Fallstricke durchgegangen; und der Standard hatte aus privaten Chats von Frau Schilling zahlreiche äußerst peinliche Stellen ausgegraben, die die Glaubwürdigkeit der Kandidatin schwer beschädigten. Die Parteispitze – Bundessprecher Kogler, Generalsekretärin Voglauer – reagierte mehr als patschert und beschädigte die Glaubwürdigkeit der Spitzenkandidatin noch mehr. Frau Schilling zog sich in ihren statements bei Diskussionsteilnahmen eh relativ gut aus der Affaire und die „Basis“ sorgte dafür, dass noch eine Art produktiver Wahlkampf entstand.

Dass der Standard aus privaten Chats von Frau Schilling zitiert hatte, ist nicht unbedenklich. Chats sind sehr nahe der Mündlichkeit und doch schriftlich. Es gibt zahlreiche Menschen, die das Verhalten einer der (bisher) besten Tageszeitungen Österreichs massiv kritisierten. Abonnements wurden deswegen gekündigt. Standard-Autor Paul Lendvai verteidigte am 4. Juni das Verhalten der Zeitung unter dem neuen Chefredakteur Gerold Riedmann, dem Ex-Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten. Er zitiert dabei den ehemaligen Herausgeber der New York Times, A.G. Sulzberger:

„Unabhängigkeit ist die zunehmend umstrittene journalistische Verpflichtung, sich den Fakten zu fügen, wo immer sie hinführen (…) Unabhängigkeit verlangt von den Reportern, eine Haltung des Suchens statt des Wissens einzunehmen (…) Sie erfordert, dass wir das, was wir erfahren, – umfassend und fair – weitergeben, unabhängig davon, wen es empören könnte oder welche politische Konsequenzen es hat. Unabhängigkeit bedingt, dass wir die Fakten klar aussprechen – auch wenn es so aussieht, als würden sie in einem Konflikt eine Seite bevorzugen. Und sie gebietet, dass wir in den häufigeren Fällen, in denen die Fakten unklar sind oder über ihre Interpretation vernünftig gestritten wird, diese Ungewissheit und Zweifel ebenso sorgfältig darlegen.“

Ja: umfassend, aber auch „fair“. Ja, „Fakten“, nicht Ansichten, nicht Gerüchte. Aber ich bin noch Abonnent.

Man wird sich über das Verwerten privater Chats noch Gedanken machen müssen. Ich hätte in meinen Chats nichts, was politisch bedenklich wäre; ich würde trotzdem nicht wollen, dass sie veröffentlicht werden. Das geht so nicht.

Meine Furcht

Ich hatte bereits die Befürchtung, dass die österreichischen Grünen wieder aus dem (EU-)Parlament fallen würden. Es ging sich aber noch ein halbwegs akzeptables Ergebnis aus. Die 14,1% Stimmenanteil aus der EU-Wahl 2019 (mit Voggenhuber wären es sogar 15,9% gewesen) schmolzen freilich auf 10,7% 11,08% [corr. mb 12.6.]. Das ist ein empfindlicher Verlust: aus 2 von 18 bzw. 3 von 19 Mandaten wurden 2 von 20. Mager! Eine ökologisch orientierte Partei sollte aber zulegen: sie muss ja die Welt retten! Bald! (Jedenfalls dabei mithelfen.)

Das Ergebnis zeigt: es gibt eine grüne Stammwählerschaft, die auch bereit ist, für ein politisches Ziel eine „Krot zu schlucken“. Nein: die „Krot“ ist nicht Lena Schilling; die Krot ist ein grottenschlecht (oder krottenschlecht) gemanagter Wahlkampf. So darf man das nicht machen.

Meine Strategie

Ich habe für mich noch eine Strategie gefunden, meine Stimme für die Grünen zu rechtfertigen: mit einer Vorzugsstimme für den zweitgereihten Kandidaten Thomas Waitz. Ich hab das auch publiziert – und offenbar sind relativ viele Menschen auf ähnliche Ideen gekommen. Mal sehen, was sich ergibt.


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