michael bürkle

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Michael Bürkle

Gesamtschulen: maximal 15%?

SPÖ und ÖVP haben sich im Bund auf 15% Gesamtschulen „geeinigt“. Naja – nicht ganz: die SPÖ kann sich auch noch mehr vorstellen, die ÖVP sicher nicht. Mit diesen 15% soll das Modell Gesamtschule getestet werden.

Die Grünen fordern mit ihrem Bildungssprecher Harald Walser und dem Innsbrucker Erziehungswissenschaftler Michael Schratz an seiner Seite ganz Vorarlberg als Modellregion. Sonst gebe es keine grüne Zustimmung und also keine 2/3-Mehrheit. (S. Video am Fuß der Seite.)

Ich ahne, was herauskommt. Die Gesamtschule in ganz Vorarlberg und dazu noch ein paar einzelne in Tirol und in Wien. Das macht dann ca. 15%.

Die ÖVP hat dann „das Gymnasium gerettet“ und sich durchgesetzt, die SPÖ hat Regionen mit „über 15%“ und sich durchgesetzt und die Grünen haben die Modellregion Vorarlberg und sich durchgesetzt. Ein windiger Kompromiss, aber vermutlich alles, was erreichbar ist.

Dass man eine Gesamtschule nicht gut „testen“ kann, wenn es daneben noch normale Gymnasien, Neue Mittelschulen, Privatgymnasien und Hauptschulen gibt, ist offenbar noch nicht allen klar. Das, was dann getestet wird, ist sicher nicht „gesamt“. Man kann nicht neben einem Gymnasium eine „Gesamtschule“ testen.

Je länger ich die Sache verfolge, desto abstruser erscheint sie mir. Wir haben als Volksschule die Gesamtschule von 6 bis 10. Kein Mensch regt sich darüber auf. Wir haben in den Abendgymnasien die Gesamtschule von 17 bis 94. (Ja, unsere älteste Studierende ist derzeit 94.) Das ist selbstverständlich. Nur um die Gesamtschule von 10 bis 14 gibts Querelen.

Es ist gefährlicher Unsinn, Kinder mit 10 in verschiedene Bildungswege zu trennen. Wir verlieren damit systematisch wertvolle Begabungen, weil wir die Kinder trennen in die, die von daheim viel Unterstützung bekommen, und die, die von daheim wenig Unterstützung bekommen. Wir verzichten darauf, dass verschiedene Kinder und Jugendliche wegen ihrer Verschiedenheit auch sehr gut von einander lernen können – sowohl kognitiv als auch sozial.

Natürlich muss man „differenzieren“. Intern, im Unterricht, und in der Unterrichtsorganisation. In den Erläuterungen zum Schulunterrichtsgesetz für die Abendgymnasien steht als Zielsetzung:

Ermöglichung erwachsenengerechter und individueller Bildungslaufbahnen, Vermeidung von Zeitfenstern und Laufbahnverlusten (Einführung des Modulsystems, Abgehen von strikten inneren Organisationsformen wie Schulstufen und Klassen, Entfall von Schulstufenwiederholungen).

Das geht auch kindgerecht. Die „Klasse“, die „Schulstufe“: sie sind nicht denknotwendig. Sie sind oft hinderlich. Sie sind als Modell uralt.


Hier das Video zu Walser / Schratz (ORF.at vom 11.12.2015):

 


erschienen: einstweilen nur hier

Links:

Unterlagen zur Pressekonferenz von Landesrätin Mennel und Vizerektorin Böheim-Galehr am 22.5.2015

Kurzzusammenfassung der im Video gezeigten Broschüren

– – –

Bildungswege in Österreich


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