Als ich vor ein paar Tagen einem Vertreter des Elternvereins der „Tagesschule“ (= das Bundesrealgymnasium Adolf Pichler Platz) den Mediensaal für seine Elternvereinssitzung aufsperrte, meinte der gute Mann, wir seien auch schon ein ganz nett große Schule. Ich fragte ihn, auf wie viele Studierende er uns schätze. „Na, so zwei-, dreihundert werden das schon sein“, meinte er. Das sei deutlich zu wenig, entgegnete ich; es seien etwa 700.
Eine häufige Fehleinschätzung. Wir gelten noch in vielen Köpfen als relativ kleine Schule. Wir sind das schon lange nicht mehr. Schon im Schuljahr 2003/04 hatten wir mehr als 700 Studierende. In den folgenden Jahren ging die Anzahl der Studierenden zwar leicht zurück, doch am 11.9.2014 hatten wir 709 Studierende; am Stichtag 15.9.2014 meldeten wir dem Landesschulrat 701, denn schon in der ersten Woche meldeten sich bereits Studierende ab (und wir nahmen noch welche auf). Ja: Studierendenzahlen sind bei uns zwangsläufig immer im Fluss. Immer wieder melden sich Menschen ab, weil der Stress zwischen Beruf, Familie und Schule zu groß wird; dauernd melden sich Menschen an, vor allem zu Beginn eines Semesters, aber eigentlich führen wir einschlägige Beratungsgespräche jeden Tag. In der Folge beziehe ich mich bei der statistischen Gesamtschau auf die offiziell mitgeteilten 701 Studierenden vom 15.9.2014.
(Ich lege Wert auf die Feststellung, dass diese 700 Studierenden keine „Karteileichen“ in relevantem Ausmaß enthalten. Das sind reale Zahlen. Natürlich gibt es ab und zu Studierende, die das Studium abbrechen, ohne sich von der Schule offiziell abzumelden. Aber wir kümmern uns darum; wir schreiben an, wir fragen nach und wir streichen Studierende, wenn keine entsprechenden Reaktionen erfolgen.)
Statistik nach Studientyp
Das Abendgymnasium besuchen am 15.9.2014 insgesamt 496 Studierende als Präsenzstudierende (mit ca. 70,7 % also gute zwei Drittel) und 205 als Fernstudierende (ein knappes Drittel). Aber was heißt das eigentlich? Gezählt wurden hier die Studierenden, die noch vor ihrer Modulbelegung in Übernahme aus dem letzten Semester einem Präsenzsemester bzw. einem Fernstudiensemester als „Stammsemester“ zugeordnet waren. Tatsächlich verschwimmen in den letzten Jahren die Grenzen zwischen Präsenz- und Fernstudium immer mehr. Immer wieder buchen Präsenzstudierende auch Fernstudienmodule (umgekehrt kaum); manche Module bieten wir überhaupt nur mehr als Fernmodule an. Im laufenden Wintersemester müssen wir erstmals 3 Fernstudienmodule teilen, weil sie überbucht sind (und wir Studierende nicht abweisen wollen und weil der Landesschulrat für die Gruppenteilungen Werteinheiten zur Verfügung gestellt hat). So hat die „Fernstudienklasse“ 6S sowohl in Englisch als auch in Mathematik zwei parallele Gruppen bekommen. Wir müssen allmählich beginnen, im Fernstudium „Parallelklassen“ zu bilden.
Statistik nach Geschlechtern
Wir haben am 15.9.2014 348 männliche und 353 weibliche eingetragene Studierende, also praktisch Gleichstand. Damit ist der Frauenanteil in den letzten 10 Jahren wieder leicht zurückgegangen: er war schon bei über 55 %. Die Zahlen schwanken aber jedes Semester ein bisschen; ich möchte da noch keine allgemeine Tendenz erkennen.
Wir haben im Präsenzstudium mit 256 vs. 239 ein kleines männliches Übergewicht (knappe 52 %); wir haben im Fernstudium mit 113 vs. 92 einen etwas deutlicheren weiblichen Überhang (gute 55 %).
Statistik nach Alter
Unsere jüngste ist gerade 15 (und deshalb außerordentliche Studierende); unsere älteste Studierende ist über 90. Der Altersmittelwert beträgt 22,78 Jahre; der Median liegt bei 20,67, d.h. die Hälfte unserer Studierenden ist jünger, die andere Hälfte älter als 20,67. (Die Lage von Median und Mittelwert sagt etwas über die Symmetrie einer Verteilung aus. Die Altersmittelwerte sind bei uns immer etwas höher als die Mediane, weil unsere Altersverteilungen „nach oben ausfransen“; sie sind nicht symmetrisch. Die relativ wenigen sehr hohen Werte „ziehen“ die Mittelwerte nach oben. Das ist ähnlich wie bei Einkommensverteilungen.)
Tabellarisch nach Altersgruppen von jeweils 5 Jahren sieht die Verteilung so aus:
zwischen … | und … | Anzahl | Anteil |
15 | 20 | 282 | 40,2 % |
20 | 25 | 290 | 41,4 % |
25 | 30 | 68 | 9,7 % |
30 | 35 | 27 | 3,9 % |
35 | 40 | 8 | 1,1 % |
40 | 45 | 7 | 1 % |
45 | 50 | 5 | 0,7 % |
50 | 55 | 7 | 1 % |
55 | 60 | 2 | 0,3 % |
60 | 65 | 2 | 0,3 % |
65 | 70 | 2 | 0,3 % |
70 | 100 | 1 | 0,1 % |
In Bezug auf die Geschlechter sind die Unterschiede minimal; in beiden Fällen liegt der Median bei 20,65. bzw. 20,67. (Der Mittelwert liegt bei den Frauen mit 23,45 allerdings etwas höher als bei den Männern mit 22,10; d.h. wir haben bei den älteren Studierenden tendenziell mehr Frauen.) Unterschiede zeigen sich v.a. in Bezug auf den Studientyp: Fernstudierende sind mit einem Altersmittelwert von 27,62 spürbar älter als Präsenzstudierende (20,78). Die Mediane liegen bei 24,70 (Fernstudium) und 20,02 (Präsenzstudium).
Statistik nach Muttersprachen
Wir haben derzeit leider nicht von allen Studierenden die Muttersprache eingegeben – das ist noch in Arbeit. Jedenfalls sind derzeit mindestens 22 verschiedene Muttersprachen an der Schule vertreten. Ca. 72 % der Studierenden haben die Muttersprache Deutsch; die zweitgrößte „community“ ist natürlich die türkische mit ca. 17 %. Bosnisch / Kroatisch / Serbisch kommt auf etwa 3 %. Den Rest macht ein bunter Strauß aus Arabisch, Bulgarisch, Englisch, Französisch, Persisch, Portugiesisch, Russisch, Albanisch, Chinesisch, Spanisch, Dari, Armenisch, Griechisch, Igbo, Punjabi, Thai, Tschetschenisch und „sonstigen“ Sprachen.
Bei den Fernstudierenden dominiert allerdings derzeit noch die Muttersprache Deutsch. Gerade 18 unserer 205 Fernstudierenden haben nicht Deutsch als Muttersprache; über 90 % sprechen dort Deutsch seit jeher. Vielleicht ist die Aufarbeitung komplexer Inhalte in Eigenregie, wie das im Fernstudium systematisch gefordert ist, auf der Basis der Muttersprache doch leichter. (Wenn ich z.B. an die Kompliziertheit mancher trigonometrischer Texte denke, kann ich mir gut vorstellen, dass man sich als Nicht-MuttersprachlerIn echt schwerer tut und es nicht so gut schafft, so etwas selbst zu durchdringen – sondern „Unterricht braucht“.)
Praktisch alle unserer „Türken“ sind streng genommen keine – sondern nach ihrer Staatsbürgerschaft ÖsterreicherInnen. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit zwei maturierenden Österreicherinnen türkischer Mutterprache, die mir erklärt haben, dass sie sich sowohl als Türkinnen als auch als Österreicherinnen fühlen, dass sie aber in der Türkei meistens als Österreicherinnen und in Österreich meistens als Türkinnen wahrgenommen werden. Überraschend? Nicht wirklich.
(Überraschend ist vielleicht, dass es deutlich mehr Frauen mit türkischer Muttersprache bei uns gibt als Männer. Etwas über 60 % der Studierenden türkischer Muttersprache sind weiblich.)
Wir sind jedenfalls mit ca. 700 Studierenden in über 20 Muttersprachen vermutlich das größte Integrationsprojekt Westösterreichs.
Maturastatistiken
Wir haben in jedem Schuljahr drei Termine für Reifeprüfungen. Normalerweise maturieren im Dezember / Jänner 3 „Klassen“ (zwei Präsenzgruppen, eine Fernstudiengruppe), im Mai / Juni 4 Gruppen (davon ebenfalls eine aus dem Fernstudium) und im September / Oktober noch einmal eine gemischte Gruppe.
Im Durchlauf 2011/12 (Dezember / Jänner, Mai / Juni, September / Oktober) maturierten 87 Studierende. (Von Schuljahren möchte ich hier nicht sprechen, denn der Termin im Herbst liegt ja bereits im jeweils folgenden Schuljahr). 2012/13 maturierten 81; 2013/14 mit 71 Studierenden etwas weniger. (Dafür kündigt sich bereits ein wirklich starker Wintertermin an.)
Es ist relativ eindeutig, dass deutlich mehr Frauen als Männer maturieren. Die entsprechenden Zahlen für die letzten drei Jahre sind 50 vs. 37, 48 vs. 33 und 43 vs. 28. Besonders stark war der Frauenanteil im Dezember/Jänner 2013/14 mit über 77 % und im Mai/Juni 2013 mit fast 70 %. Einzig bei den Herbstterminen treten tendenziell mehr Männer als Frauen an. Die drop-out-Quote ist bei Männern also höher; Frauen gelingt es offenbar besser, das Studium am Abendgymnasium zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Wenn Männer die Reifeprüfung schaffen, sind sie allerdings gleich erfolgreich wie Frauen. In den letzten drei Jahren haben wir 25 Reifeprüfungszeugnisse mit ausgezeichnetem Erfolg an Frauen und 24 an Männer vergeben.
Der Altersmedian der AbsolventInnen liegt in den letzten Jahren stabil bei etwa 22, der Altersmittelwert entsprechend höher bei ca. 24. Diese Zahlen weisen auf eine durchschnittliche Studiendauer bei uns im Haus von etwa 2,5 Jahren oder 5 Semestern hin.
Fast 90 % der Maturazeugnisse, die wir ausstellen, sind wirtschaftskundliche Zeugnisse, ca. 8 % realgymnasiale, knappe 4 % gymnasiale.
Schlussbemerkung
Das alles konnte ich dem netten Herrn vom Elternverein zwischen Tür und Angel des Mediensaals nicht sagen. Schade. Vielleicht hätte er nicht nur den vagen Eindruck gehabt, dass wir „eine ganz nett große“ Schule sind, sondern er hätte mitgenommen, dass diese Schule ein äußerst wichtiger Bestandteil der Tiroler Schullandschaft ist.
erschienen in: Horst Schreiber / Irmgard Bibermann, Hg. (2015): Schule in Bewegung. 70 Jahre Abendgymnasium Innsbruck (= Erwachsene lernen. Schriftenreihe des Abendgymnasiums Innsbruck Bd. 4), S. 305-309
Die ursprüngliche Fassung des Artikels enthielt als „Kleinen Exkurs zu Werteinheiten“ noch eine kurze Textpassage, die auf Wunsch der HerausgeberInnen im Druck entfiel. Ich bin dringend ersucht worden, die Textpassage auch hier nicht anzuführen. Ich komme dem Wunsch nach, allerdings ungern. Ich denke nicht, dass die Passage Betriebsgeheimnisse enthielt; es ging nur darum zu belegen, dass das Abendgymnasium sparsamst wirtschaftet und die anderen Tiroler Schulen davon profitieren.