Der Suizid
Eine österreichische Ärztin hatte Suizid begangen; sie war davor von einem Mann online bedroht worden. Der Sachverhalt hat sich in der extrem aufgeheizten, von Schuldzuweisungen durchsetzten Corona-Zeit ereignet; der Prozess endete vor Kurzem mit einem noch nicht rechtskräftigen Freispruch für den Bedroher.
Ich konnte diesen Freispruch nicht wirklich verstehen. Die Staatsanwaltschaft offenbar auch nicht; sie hat nun Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet. Ich finde das gut.
Ich bin kein Sachverständiger in den rechtlichen Aspekten von Bedrohungen, aber für das Schöffengericht waren offenbar die elektronischen Drohungen (Mails und Twitter-Nachrichten) „nicht eindeutig mitursächlich für den Suizid der Ärztin“. Das verstehe ich nicht. Mag durchaus sein, dass sie nicht „allein ursächlich“ waren, aber um eine „Mitursächlichkeit“ auszuschließen müsste man schon sehr genaue Kenntnisse sehr spezifischer „Kommunikationen“ haben.
Öffentliche Bedrohung
Wenn ein Mensch im Internet öffentlich bedroht wird – Twitter ist im Gegensatz zu Mail mit einer pozenziell großen Öffentlichkeit verbunden – und sich dann etwas antut, würde ich durchaus von einer (Mit-)Ursächlichkeit für die Folgehandlungen ausgehen – schon aus generalpräventiven Gründen. Wir werden sonst der neuen gesellschaftlichen Krankheit der mehr oder minder massenhaft wirksamen öffentlichen Bedrohung nicht mehr Herr. Öffentliche Drohungen in mehr oder minder anonymisierter Form müssen bestrafbar werden.