michael bürkle

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Michael Bürkle

„Freiheit über Sicherheit“?

„Freiheit über Sicherheit“. Als Rest des Innen- und Justizministertreffens der EU in Innsbruck (11.-13.7.) sind solche Graffiti in Innsbruck zu finden. Davor schon: „Eure Sicherheit tötet“.

Sicherheit ist keines der 3 Grundziele der bürgerlichen Französischen Revolution. „Liberté, Égalité, Fraternité“ hieß das damals, heute meist übersetzt als „Freiheit, Gleichheit, Solidarität“. „Sécurité“ war nicht dabei.

Heute setzen vor allem sogenannte freiheitliche Politiker auf das Versprechen von Sicherheit.

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Im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch 25.7. wird der Generalstabschef des Bundesheers interviewt:

Ö1: Die Herausforderungen, denen sich der neue Generalstabschef Robert Brieger gegenüber sieht, sind nicht gerade gering. Es fehlt dem Budesheer sowohl an modernem Gerät, an Ausrüstung für die Soldaten und nicht zuletzt an Soldaten selbst. Das Budget der aktuellen Regierung für die Verteidigung ist deutlich geringer ausgefallen als erhofft. Für Investitionen wird stets auf Sonderbudgets verwiesen, die aber noch wenig konkret sind. Mehr Geld wird aber unbedingt benötigt, so Generalstabschef Brieger. Wie viel hab ich ihn im Morgenjournal um 7 gefragt:

Brieger: Wir haben schon im Zuge der früheren Reformmaßnahmen eine Größenordnung von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes genannt. Es würde schon eine Annäherung an die 3-Milliarden-Grenze einen großen Fortschritt für die Streitkräfte bedeuten.

Ö1: Worin sehen Sie denn derzeit die größten Bedrohungen für Österreichs Sicherheit und was muss das Bundesheer dementsprechend leisten können?

Brieger: Die größte gegenwärtige Bedrohung ist sicher die Massenmigration, die ja aufgrund der Entwicklung europaweit auch die einzelnen Mitgliedsstaaten betrifft. Solange hier der Außengrenzschutz nicht im vollwertigen Umstand gewährleistet ist, besteht die Notwendigkeit, eben auch nationale Beiträge vorzusehen. Darüber hinaus gibt es eine hybride, eine terroristische Bedrohung, die schwer bezifferbar ist, die aber überall und jederzeit auftreten kann und wovon auch Österreich keineswegs ausgeschlossen ist.

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Die „Massenmigration“ – die es laut aktuellen Zahlen derzeit gar nicht mehr gibt – ist also laut dem Generalstabschef des Bundesheeres ein militärisches Problem. Ja hat der Mann sie denn noch alle? Wenn Migration ein Problem ist, ist es ein politisches, vor allem auch ein entwicklungspolitisches. Aber sicher kein militärisches.

Und das zweite Einsatzgebiet des Bundesheeres sei ein obskurer „hybrider Terrorismus“, der „überall und jederzeit“ auftreten könne. Aber was hat das Bundesheer damit zu tun? Terrorismus ist Gewaltanwendung und ein Polizeiproblem.

Also meines Erachtens hat sich der Generalstabschef um sein Budget geredet. Wir brauchen ein Bundesheer für Einsätze im Bereich „Sicherheit“ bei Katastrophenfällen: bei Erdrutschen, Lawinen, Überschwemmungen, die mit dem Klimawandel häufiger und vehementer auftreten. Ein Bundesheer mit Pionieren und Sanitätern. That’s it. Für die österreichische Sicherheit ist Politik zuständig, nicht das Militär.

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Aber was bedeutet Sicherheit hier eigentlich? Was versprechen der Generalstabschef und der Innenminister, wenn sie „Sicherheit“ versprechen? Sie versprechen kein Grundziel der bürgerlichern Revolution.

Sie versprechen eine Abschottung Österreichs vor den Problemen der Welt. Sie versprechen das Hochziehen der Mauern an den Grenzen. Sie versprechen die Weiterführung der Ausbeutung ganzer Kontinente. Sie versprechen das Ertrinken von Kindern im Mittelmeer und das Verhungern in nordafrikanischen Konzentrationslagern. Sie versprechen die Klimakatastrophe. Sie versprechen die Verschärfung der globalen Gegensätze und damit eine umfassende Unsicherheit für die kommenden Generationen – zugunsten einer kleinen, scheinbaren „Sicherheit“ vor scheinbar „zu vielen“ MigrantInnen heute. Dabei brauchen wir diese MigrantInnen dringend. Geburtenrate 1,42. Wir sind ein Einwanderungsland: seit Generationen.

Aber was soll ein kleiner Bundeskanzler, ein kleiner Innenminister an eine langfristige Zukunft denken? Sie denken an die nächste Wahl. Die übernächste ist ihnen schon wurscht. Sie sehen nicht die Notwendigkeit, zu einer globalen Lösung globaler Probleme beizutragen: es geht um lokale Behübschung und sogenannte „Sicherheit“. Dazu passt, was der Festredner der Salzburger Festspiele, Philipp Blom, meint:

Die meisten Menschen wollen keine Freiheit. Sie wollen so leben, wie sie möchten. Ein voller Kühlschrank, etwas im Fernsehen, Internetzugang. Meinungsfreiheit ist ein Luxus.

(zitiert nach dem heutigen Standard, Glosse S. 1)

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Insofern haben die kurz-sichtigen Politiker recht. Sie wollen wiedergewählt werden. Die Lösung globaler Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt ist ihre Sache nicht.

Der Befund unserer jungen, sprühenden, anarchistischen Freundinnen und Freunde – Freiheit über Sicherheit – ist verkürzt. Ich hab dafür Verständnis: Beim Sprühen von slogans muss es schnell gehen; eine umfassende Diskussion ist im Graffiti nicht möglich. „Freiheit“ ist für anarchistische SprüherInnen das attraktivste: am ehesten anarchoid und vor allem kurz: nur 8 Buchstaben. Ich unterstelle den Sprüherinnen und Sprühern durchaus, dass sie die Langversion mitdenken: Freiheit, Gleichheit und Solidarität über scheinbare Sicherheit.

So wärs auch richtig.


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