Wie macht man in der Zukunft eintretende Folgen begreiflich?
Wenn ich in einem Gespräch sitze und hinter mir kracht etwas, erschrecke ich und drehe mich um.
Wenn ich in einem Gespräch sitze und mein Gegenüber erklärt mir (glaubwürdig), dass in 2 Stunden hinter mir etwas kracht, erschrecke ich nicht. Ich drehe mich nicht um.
Das ist im Prinzip bei allen Menschen gleich. Was in der Zukunft eintritt, erschreckt nur sehr verdünnt in der Gegenwart.
Die Klimakatastrophe ist schon da und wird sich noch gewaltig verschärfen
Wir wissen alle, dass die Klimakatastrophe heute schon katastrophale Zustände verursacht – weltweit! Aber meistens ist es halt „woanders“. Die Überschwemmungen in Pakistan waren – woanders; die Waldbrände von Portugal bis England waren – woanders. Sogar die Überflutung des Ahrtals in Nordrhein-Westfalen war – woanders.
Wir wissen ziemlich genau, dass in 5, 10, 20 Jahren noch viel ärgere Katastrophen eintreten werden und dass als Folge der Klimakatastrophe schlimmste soziale Ereignisse eintreten werden: Kampf um Land, Kampf um Trinkwasser, Kampf um ein Dach über dem Kopf, Kampf um Nahrung. Kampf um Landstriche, Kampf um (halbwegs) sichere Wohnplätze. Das werden staatlich organisierte Kämpfe – also Kriege – werden, das werden auch individuelle Kämpfe werden.
Wir wissen nicht genau, wann und wo es uns treffen wird. Menschen wie ich – ich bin bald 66 – können mit einigem Glück sogar noch relativ heil davon kommen: wir können hoffen, dass es uns wenig betrifft.
Sind wir Apokalyptiker?
Sind wir Apokalyptiker? Malen wir uns den Weltuntergang genüsslich an die Wand? Wird das alles eh nicht so schlimm? Ist das bloß ein science-fiction-horror-fantasy-Film?
Nein, das ist kein Genuss. Es hat auch nichts mit Glauben zu tun. Es hat mit dem Lesen und Verstehen von Nachrichten und von statistischen Daten und mit Realismus zu tun. Man kann es voraussehen. Wir glauben nicht an den „Weltuntergang“; wir sehen ihn anhand von nachprüfbaren Daten und Fakten. Insofern sind wir nicht Apokalyptiker. Es ist auch nicht die Zerstörung des Planeten, die da kommt. Es ist lediglich die Zerstörung der Biosphäre, also des Raums, in dem Leben möglich ist.
Ist Einfluss möglich?
Und wir könnten noch einiges dagegen tun. Wir werden das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen; wir gehen auf eine Erderhitzung von mindestens 2 Grad zu. Aber wir könnten vielleicht noch 1,8 Grad schaffen. Noch besser wäre 1,7 Grad. 2,2 Grad wäre viel schlimmer. Aber wir könnten das Ausmaß der Katastrophen noch beeinflussen.
Aber sehr viele Menschen verstehen die Sache noch nicht. Es ist auch schwierig; es kommt ja erst. Und wir wissen nicht genau, wann und wie und wo. Wir können irrational hoffen, dass wir individuell noch davon kommen. Wenn „Apokalyptiker“ nüchtern heißt: „Mensch, für den die Vorstellung eines kommenden Weltendes, einer Weltkatastrophe Realität hat“ – ja, dann bin ich einer. Aber das hat nichts mit Glauben zu tun. Das hat mit Abzählen an einer Hand zu tun.
Wie kann man die kommende Katastrophe begreiflich machen?
Wir können die kommende Katastrophe erklären, wir können sie zum Teil sogar berechnen, wir können versuchen, uns auf sie einzustellen. Aber wie macht man sie begreiflich? Wie macht man derart unangenehme Nachrichten nachvollziehbar? Wie macht man Katastrophen vorvollziehbar? Es ist einfach viel bequemer und viel netter, sie jetzt, momentan wegzublenden, sie wegzuhoffen und Politikerinnen zu glauben, die uns „Lösungen durch Innovationen“ versprechen.
Wir müssten jetzt handeln.
Wenn möglich alle!