Rahmen
Ich bin im Rahmen einer NGO, die das demokratische Bewusstsein und die Beteiligung fördern will und die es in Wien und in Innsbruck gibt, aktiv. Einige sind da bereits in einer online-Diskussion über das Wahlergebnis und ich habe mich da beteiligt. Ein Teil meines statements ist entstanden als Reaktion auf andere; das ist vielleicht nicht sofort verständlich.
Meines
Liebe Aktivist*innen,
ich bin in der Tiroler Gruppe aktiv und möchte zur Diskussion was beitragen.
1. Ich bin nicht sehr überrascht über das Ergebnis. Ich hätte den Vorsprung etwas geringer eingeschätzt und die Ergebnisse der SPÖ und der Grünen etwas besser. Österreich ist ein strukturkonservatives Land, das sich einige linksalternative Intellektuelle leistet (oder gönnt), weil es die braucht. Nur Kreisky hat es geschafft mit dem Slogan „Ein Stück des Weges gemeinsam gehen“ liberale Kräfte aus der Mitte für eine gewisse Zeit „nach links“ zu ziehen. Dazu hat er auch Vieles an- und aufgeboten.
2. Ich glaube nicht, dass es „Anti-Kickl-Allianzen“ gegeben hat. Jedenfalls nicht unter den politischen Parteien, denn unter „Allianzen“ stelle ich mir ein koordiniertes Vorgehen vor. In der ÖVP gibt es sicher einige, die auch mit den Kickls koalieren wollen; auch in der SPÖ kann ich mir das vorstellen, wenn es dem kurzfristigen Machterhalt dient – Andreas Babler ist da noch nicht „typisch“ für die gesamte SPÖ. Eine „Allianz“ hat es vielleicht unter den zivilgesellschaftlichen NGOs (wie uns) gegeben (die Agora?), aber die konnte man nicht wählen, also konnte sie nichts aufholen.
3. Ich glaube nicht, dass viele FPÖ-Wähler*innen „Zustände wie in Ungarn“ wollen; so weit denken viele gar nicht. Ziemlich viele wählen eine Art Volkstribun, der es „denen da oben“ „einisagt“. In Deutschland erfüllt diese Funktion nicht nur die AfD (mit Weidel, Chrupalla), sondern auch in etwas anderer Form das BSW (mit Wagenknecht). Die Frage ist: kann man als solcher Volkstribun auch 35%, 40%, 50% erreichen? Ich glaube nicht: dieses Potenzial ist beschränkt. Aber das hängt auch vom Bildungsniveau ab und das ist mit den sog. „sozialen Medien“ nicht wirklich gestiegen. TikTok und „X“ sind an sich populistisch.
Es gibt allerdings durchaus auch FPÖ-Wähler, die die Kickl-Politik verstehen und gutheißen, weil sie sich Vorteile davon versprechen.
4. Ich glaube, dass wir mit unserem Bemühen und unseren Methoden, die Wahlbeteiligung zu steigern (und das demokratische Bewusstsein zu heben), (noch?) nicht wirklich erfolgreich waren. Wahlbeteiligung 2024: 78%, 2019: 75,6%; 2017: 80%. Insofern sollten wir uns auch Adaptionen unserer Strategie überlegen. Ich sehe in Methoden des politischen Theaters erfolgsversprechende Ansätze. (Haben wir in Tirol auch in Ansätzen probiert.)
5. Ein prinzipielles Manko unserer Politik ist die Abgehobenheit der Parteien. Du schreibst hin, es erfolgt keine Antwort – oder halt nur eine formelle. Das müssen die Parteien lösen; da können wir wenig beitragen.
Die KPÖ ist dort besonders erfolgreich, wo sie für Gespräche über Wohnprobleme konkret erreichbar ist: in Graz, Salzburg, … In einigen Gesprächen, die wir bei unseren Aktionen geführt haben, hat sich herausgestellt, dass es auch der FPÖ bisweilen gelingt, zumindest den Eindruck zu vermitteln, man kümmere sich um die vorgebrachten Anliegen. Eine Dame in Hall hat gesagt, dass sie eine barrierefreie Wohnung gebraucht hat und nur die FPÖ habe sich ihres Anliegens angenommen – übrigens erfolgreich. (Keine Ahnung, inwiefern das stimmt.) Es ist offenbar bei der FPÖ Teil der Strategie, zumindest den Anschein zu erwecken, dass man sich um Einzelprobleme kümmert. Wenn man beim „Kümmern“ erfolgreich ist, ist es dann das Verdienst der FPÖ; wenn man nicht erfolgreich ist, sind „die anderen“ schuld. Insofern gewinnt die FPÖ dabei immer.
Bei einem Straßengespräch hat sich ein älterer Herr mit mir unterhalten: er sei alter Sozialdemokrat und wisse nicht, was er wählen solle: KPÖ oder FPÖ. Die SPÖ könne er nicht mehr wählen. Tja …
Schöne Grüße aus Innsbruck
michael bürkle
Diskussion …
Ich freue mich auf eine Diskussion, in der Gruppe oder hier im Blog.
In den Analysen dieser Wahl fehlen mir zwei Themen: ÖVP, SPÖ und Grüne haben ihre Glaubwürdigkeit weitgehend verloren und davon hat die FPÖ profitiert. ÖVP (Tirol) mit dem Fernpass-Scheiteltunnel als der Schnapsidee des Jahrzehnts und was war da mit den 18 Wochen Urlaub? Was die beiden roten Ministranten in der Landesregierung machen, bleibt ungeklärt: MCI der eine, Verteidigung der Schnapsidee der andere. Grüne: Wer Lena Schilling ein Mandat gibt, will keine Wahlen gewinnen. Für wie vergesslich halten uns die Parteien? Mobilisierung: Positiv sehe ich, dass es gelungen ist, NichtwählerInnen zu mobilisieren. Peinlich ist, dass das fast nur der FPÖ gelungen… Mehr »
Lieber Dietmar, zunächst danke für Deinen Beitrag. Ich sehe Vieles ähnlich und manches etwas anders. * Zu „Wer Lena Schilling ein Mandat gibt, will keine Wahlen gewinnen“: das seh ich nicht so. Natürlich wollten die mit Schilling ein Mandat gewinnen, doch der Wahlkampf und auch die erste Zeit im Mandat ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Das muss miserabel vorbereitet gewesen sein: vermutlich war man glücklich, dass sich jemand mit einiger Prominenz gefunden hat und hat sich auf den äußeren Schein verlassen. Das ist aber „ungenügend“. * Die Proteste auf der Straße (der „Letzten Generation“ etc.) habe ich persönlich 2023… Mehr »