michael bürkle

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Michael Bürkle

„noch eine Stunde bis Leipzig“

Was eine Fahrt nach Leipzig und eine österreichische Berufslaufbahn mit Pensionsberechtigung gemeinsam haben.

Die Fahrt nach Leipzig

Es muss 1991 gewesen sein. Ich fuhr zu einem sprachwissenschaftlichen Kongress nach Leipzig, ausnahmsweise mit dem Auto.

Beim Schild „Leipzig 100 km“ fuhr ich genau 100. „Eine Stunde noch bis Leipzig“, dachte ich mir.

Der Verkehr wurde dichter, die Baustellen häuften sich. 70 km vor Leipzig fuhr ich nur noch 70 km/h. Ich war also immer noch … eine Stunde vor Leipzig.

Die Autobahnen wurden schlechter. In der Nähe von Leipzig befanden sie sich noch im alten DDR-Zustand: sie bröckelten am Rande in die Wiese. 30 km vor Leipzig fuhr ich – ungelogen! – 30 km/h und war immer noch … „eine Stunde vor Leipzig“.

Trotzdem bin ich dann doch einmal in Leipzig angekommen.

Die Pension

Erst viele Jahre später begriff ich, was das mit meiner Pension zu tun hatte. Nämlich:

Als ich 50 war, 2007, dachte ich das erste Mal ernsthaft an so etwas wie „Pension“. Ich rechnete damit, dass ich noch etwa 10 Jahre bis zu meiner Pensionierung haben würde. Ich war nicht gesund, dauernd gehbehindert, immer schmerzhaft; obwohl: kaum Krankenstandstage. Ein paar Jahre zuvor waren noch einige KollegInnen mit einem „golden handshake“ frühzeitig pensioniert worden: die hatten keine offensichtlichen Gesundheitsmängel gehabt. Da müsste sich für mich doch vielleicht eine Pension in 10 Jahren ausgehen.

5 Jahre später war ich 55 und wusste: ich hab noch 10 Jahre bis zu meiner Pension. Mit 65 kann ich gehen, mit 65 geht man(n) in Österreich in Pension.

Heute bin ich 58 und stelle fest, dass die Republik Österreich bereits begonnen hat, Mathematiklehrer aus der Pension zurückzuholen. Warum? Lehrermangel! Man hat mir zwar ein Pensionsantrittsalter von gut 62 ausgerechnet – aber ob sich das ausgehen wird? Das reale Pensionsantrittsalter steigt und soll noch weiter steigen. Ich bin skeptisch, ich vermute: ich habe noch etwa 10 Jahre bis zur Pension.

– – –

Ich bin damals aber trotzdem in Leipzig angekommen. Im Umkehrschluss bedeutet das: ich habe auch reelle Chancen auf eine Pension. Eines Tages. Einstweilen bin ich noch unterwegs, eh nicht ungern.


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