michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Wege zu Doktoraten

Doktorate und Wege

Auch heute noch zählt ein Doktorat im Namen was. Dr. Franz Kupfernagl ist einfach „mehr“ als Franz Kupfernagl; Dr. Herta Wimmerl ist nicht mehr nur Herta Wimmerl. Ein Doktorat „beweist“, dass man in irgendeiner Form „wissenschaftlich“ gearbeitet hat; und weil wir seriöse Wissenschaft wirklich brauchen – in Zeiten wie diesen!, sollten wir Doktorate schätzen (können).

(Ich entschuldige mich bei allen Menschen, die „Franz Kupfernagl“ oder „Herta Wimmerl“ heißen. Mein Internet sagt mir, dass es keine findet. Jedenfalls sind keine konkreten Personen gemeint.)

Es gibt mehrere Wege zu Doktoraten. (Ich denke:) Die meisten wählen den einzig richtigen Weg, der meist mühsam und langwierig ist und der wirkliche eigene Forschung mit wissenschaftlichem Feedback verbindet. Manche wählen einfachere Wege, indem sie im großen Stil Texte anderer Menschen „verwerten“, ohne zu zitieren. (Das nennt man dann Plagiate. Das ist illegal.) Und der dritte Weg ist der der „Titelmühle“: eine Institution, die sich z.B. „University“ oder „Academy“ nennt, aber eine Firma ist und „Doktorate“ (oder ähnlich klingende Dinge) als Anerkennung für Leistungen „aus Lebenserfahrung“ oder „im Berufsleben“ vergibt und sich dafür teuer bezahlen lässt. Wo man das Doktorat also ganz einfach „kauft“. Wer genug Geld hat, muss ja wohl erfolgreich im Berufsleben gewesen sein.

(Heute gibt es noch einen vierten Weg: man lässt sich „durch das Internet“ mit mehr oder weniger „Künstlicher Intelligenz“ über Nacht einfach einen gescheit klingenden Text verfassen. Das ist ganz einfach (oder z.B. das hier). Nur nicht immer „gescheit“.)

Der Tiroler Fall

Ein Tiroler Verkehrsmanager hatte schon seit längerem ein Doktorat im Namen geführt, als sich herausstellte, dass in Wirklichkeit noch keines vorhanden war. Der Mann meinte, seine Doktorarbeit liege aber schon in Riga – also in Lettland – vor. Da stellte sich heraus, dass die vorliegende Arbeit eine aus Nordrhein-Westfalen war, die nicht nur zur Gänze kopiert worden war, sondern in der auch die deutschen Ortsnamen durch Tiroler Ortsnamen ersetzt wurden.

Das war ein Karriereende.

Die Institution, in deren Rahmen das möglich wurde: die „University of Salzburg Business School“, kurz SMBS. (Man sieht an der Web-Adresse www.smbs.at: das ist an sich keine „akademische“ Institution; sonst wäre das www.smbs.ac.at).

Die SMBS Salzburg

Ich hab mir die web site dieser Institution angesehen – und mir war einiges nicht klar, anderes nicht geheuer. Man kann dort einen „Master of Business Administration“ (sogar einen „Executive Master of Business Administration“) erwerben gegen Studiengebühren von gut 20.000 Euro. Der Abschluss erfolgt unter rot-weiß-roter Flagge, nämlich der lettischen, in Riga. Die Bewerbung der angebotenen Abschlüsse klingt sehr „flexibel“: man kann sich die Inhalte der Module nach „persönlichem Interesse“ „selbst wählen“. Das wundert mich: Lehrinhalte werden normalerweise durch Lehrpläne, Studienpläne und Studienordnungen vorgegeben. Mir wurde auch nicht ganz klar, inwiefern die „University of Salzburg Business School“ etwas mit der seriösen staatlichen „Universität Salzburg“ – die sich „PLUS“ nennt, für „Paris Lodron Universität Salzburg“ – zu tun hat.

Also habe ich dem Vizerektor der Universität Salzburg geschrieben. Gestern. Ich schrieb mit dem Betreff „‚SMBS‘ als Titelmühle?“:

ich an Uni Sbg

Sehr geehrter Herr Prof. Weichbold,

ich bin Lehrer und Schuldirektor in Pension und Blogger: www.buerkle.work. Ich beschäftige mich da vor allem mit politischen Themen und Bildungsthemen, am liebsten mit Themen der Bildungspolitik.

Konkreter Anlass meines Schreibens ist der „Fall“ Schreiner, ein Tiroler Verkehrsmanager, der sich offenbar an der SMBS der Universität Salzburg („University of Salzburg Business School“) den Titel eines Doktors über Riga / Lettland „erkauft“ hat – wie man entsprechenden, an sich seriösen Medienberichten entnehmen kann, z.B.: https://tirol.orf.at/stories/3213445/

Ich möchte Sie fragen, inwiefern Sie als „Vizerektor für Lehre und Studium“ der Universität Salzburg die Qualität der „Studien“ an der SMBS im Auge haben. Haben Sie Einfluss auf die Art der Abwicklung der „Studien“ an der SMBS? Ist es Teil Ihrer Aufgabe, die Qualität der SMBS zu evaluieren? Welchen Einfluss haben Sie auf die SMBS? Oder ist die SMBS in Bezug auf die Abwicklung der „Studien“ selbständig? Inwiefern können Missstände an der SMBS den Ruf der Universität Salzburg schädigen?

Ich habe mir die web site der SMBS angesehen. Das Angebot wirkt – mit Verlaub – äußerst „dünn“. Ich zitiere aus der web site zum „Executive MBA“:

Einzigartiger Executive MBA an unserer Universität: Individuelle Spezialisierung für Ihre Karriereziele

Der flexibelste Executive Master of Business Administration (EMBA) im deutschsprachigen Raum bietet eine maßgeschneiderte Weiterbildung für Experten, Fach- und Führungskräfte, die ihren Weg selbst bestimmen möchten.
Konfigurieren Sie Ihre persönliche Spezialisierung, indem Sie die Inhalte von 24 ECTS an Wahlmodulen selbst bestimmen und so Ihre Karriereziele erreichen.

Die freie Wahl Ihrer Spezialisierungsmodule im Umfang von 24 ECTS-Punkten ermöglicht es Ihnen, Ihre Studieninhalte nach Ihren Interessen und Karrierezielen zu gestalten. Die Module werden entweder im Umfang von 4 oder 8 ECTS-Punkten angeboten und Sie können die Studieninhalte wählen.

Die Module finden als Präsenzmodule in frei wählbaren 3- bis 6-tägigen Modulen  innerhalb von vier Semestern statt.

Zulassungsvoraussetzung
Personen mit abgeschlossenem Studium und adäquater Berufserfahrung. Bei entsprechender Berufserfahrung Zulassung auch ohne akademischen Ersttitel möglich. Englischkenntnisse auf B2 Level.

Freie Wahl der Inhalte, persönliche Spezialisierung, indem Inhalte selbst bestimmt werden, nach Interessen und Karrierezielen. „entsprechende Berufserfahrung“ reicht als Zulassungsvoraussetzung; Englisch auf B2

Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.

Mit freundlichen Grüßen
michael bürkle

Das war gestern um 11:48.

Die Uni Sbg an mich

Schon um 15:48 hatte ich eine Antwort des Vizerektors für Studium und Lehre der Universität Salzburg. (Ich denke, die Erwähnung des Worts Titelmühle im subject hatte ihren Dienst getan.)

Sehr geehrter Herr Oberstudienrat,

ich darf zu Ihrem Schreiben wie folgt Stellung nehmen: Die SMBS ist ein Tochterunternehmen der PLUS, zu deren Aufgaben u.a. die Durchführung von Universitätslehrgängen im Bereich Management zählt. Selbstverständlich erfüllen alle Lehrgänge die entsprechenden Qualitätskriterien, sämtliche Curricula sind von Senat genehmigt, jeder Lehrgang verfügt über eine wissenschaftliche Leitung durch eine/n einschlägig habiliterte/n Wissenschaftler/in der PLUS. Der SMBS obliegt die wirtschaftliche und organisatorische Durchführung.

Missstände kann ich an der SMBS nicht erkennen, auch den Vorwurf einer „Titelmühle“ weise ich mit aller Schärfe zurück. Was etwa den von Ihnen genannten Lehrgang EMBA betrifft, so liegt gerade in der flexiblen Gestaltung der große Mehrwert: Die Studierenden kommen aus unterschiedlichsten Branchen und können mit einer individuellen Schwerpunktsetzung das Studium so ausrichten, dass sie für Ihr berufliches Feld bestmöglich profitieren. Hinsichtlich des Aufwandes (gesamt 90 ECTS, davon 24 in den Wahlmodulen) und der Qualifizierungsziele (entsprechend der Dublin Deskriptoren des Europäischen Qualifikationsrahmens) unterscheiden sich die Wahlmodule ja nicht. Was daran dünn sein soll, kann ich nicht nachvollziehen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Weichbold

Damit war einmal klargestellt: die SMBS ist ein Teil der staatlichen Uni Salzburg, der inhaltlich von dieser bestimmt wird, in der Durchführung aber relativ selbständig ist – und der im Gegensatz zur Uni Studiengebühren in erheblichem Ausmaß einnehmen darf.

ich noch einmal an die Uni Sbg:

Es waren durch das Schreiben des Vizerektors noch nicht alle meine Fragen geklärt. Ich griff um 18:37 noch einmal zur Tastatur und schrieb:

Sehr geehrter Herr Vizerektor!
Zunächst vielen Dank für die rasche Antwort.

Ich entnehme Ihren Ausführungen, dass die Planung des Angebots der SBMS i.W. der Universität Salzburg obliegt, die „wirtschaftliche und organisatorische Durchführung“ des Angebots aber durch die SMBS sozusagen „autonom“ erfolgt. Damit muss ich die Fragen, die ich in meinem ersten Mail schon gestellt hatte, und die i.W. mit der Durchführung zu tun haben, leider noch einmal wiederholen:

  1. Inwiefern haben Sie als „Vizerektor für Lehre und Studium“ der Universität Salzburg die Qualität der „Studien“ an der SMBS im Auge?
  2.  Haben Sie Einfluss auf die Art der Abwicklung der „Studien“ an der SMBS?
  3. Ist es Teil Ihrer Aufgabe, die Qualität der SMBS zu evaluieren?
  4. Welchen Einfluss haben Sie auf die SMBS? … ich nehme an, nur einen planerischen, keinen auf die Durchführung
  5. Oder ist die SMBS in Bezug auf die Abwicklung der „Studien“ selbständig? … in der Durchführung offenbar i.W. ja
  6. Inwiefern können Missstände an der SMBS den Ruf der Universität Salzburg schädigen?

Zum Vorwurf einer „Titelmühle“: ich habe diesen Vorwurf nicht erhoben, sondern ihn im Betreff als Frage gestellt. Durch Dissertationsplagiate kann ein Ruf in Gefahr geraten. Ich möchte nicht, dass das der Universität passiert und weise durch die Frage auf die Gefahr hin.

Sie weisen den – nicht erhobenen – Vorwurf zurück, indem Sie auf die „individuelle Schwerpunktsetzung“ und die „flexible Gestaltung“ verweisen. Ich habe diese Frage gestellt, weil die SMBS verspricht, dass die Studierenden „Inhalte der Module selbst gestalten“ und „bestimmen“ können. Das hätten viele Schüler gern, dass sie die Inhalte des Unterrichts selbst bestimmen; der Inhalt eines Unterrichts wird aber an sich durch Lehrpläne, Studienordnungen, Studienpläne vorgegeben. Hier ist die Formulierung mindestens missverständlich.

Eine weitere Frage tut sich auf. Für eine „Titelmühle“ wäre typisch, dass es praktisch keine formalen Aufnahmevoraussetzungen gibt. Für die Aufnahme sind in der Regel lediglich „Leistungen aus der Berufserfahrung“ vorgesehen, die dann in Form von Geldaufwendungen für die Titelmühle erbracht werden. Sehen Sie die Aufnahmevoraussetzungen der SMBS – „Bei entsprechender Berufserfahrung Zulassung auch ohne akademischen Ersttitel möglich. Englischkenntnisse auf B2 Level“ – nicht in bedenklicher Nähe zu dem, was in sog. Titelmühlen möglich ist? Sollte man nicht mindestens ein abgeschlossenes Bachelor-Studium als wissenschaftliche Grundausbildung fordern?

Eine letzte Frage: Welche Lehren in Bezug auf Qualitätssicherung sollte Ihrer Meinung nach die SMBS aus dem von mir angesprochenen „Fall Schreiner“ ziehen?

Mit freundlichen Grüßen
michael bürkle

Und weiter ist der Dialog heute nicht mehr gegangen. Die PLUS schweigt einstweilen.

Mein vorläufiger Befund

Ich glaube nicht, dass die SMBS der Uni Salzburg eine „Titelmühle“ ist, in der man nur bezahlen muss und dann schon einen Titel bekommt. Wenn das so wäre, hätte der Tiroler Manager nicht den Umweg über das Plagiat und Riga gehen müssen. Für den Umweg über Riga hat er gut 20.000 an die SMBS gezahlt; wie viel das Plagiat gekostet hat und wer dieses Geld bekommen hat, weiß ich nicht. Warum das Plagiat bei der SMBS durchgerutscht ist, ist eine wichtige Frage.

Ich habe aber schon das Gefühl, dass die SMBS bei der Definition ihrer Wahlmodule bedenklich nahe an problematische Zustände gerät. Jetzt sind die Wahlmodule nur ein Teil der Ausbildung: 24 von 90 „ECTS“ wählen die Studierenden selbst; es bleibt damit ein Kernprogramm von 66 ECTS, die offenbar durch die „Business School“ vorgegeben sind. Aber es könnte sein, dass der Eindruck entstehen soll, dass gut 20.000 Euro für so etwas nicht allzu teuer sind.

Dazu kommt, dass die Durchführung des Studiums, das von der Uni geplant wurde, der SMBS obliegt und dass es ein agreement mit der Universität Riga gibt, das akademische Abschlüsse ermöglicht. Warum Riga? In Lettland? Das ist weit weg. Da gibt es auch sprachliche Barrieren. Ist das der Sinn? Ist es in Lettland eventuell schwieriger, eine deutsche Arbeit, die auf Tiroler Ortsnamen umbenannt wurde, als Fälschung zu erkennen? Wer muss da die „Qualität sichern“?

Ich denke, die Notwendigkeit einer zuverlässigen Qualitätssicherung hat der Tiroler Fall nachgewiesen. Warum der Vizerektor für Lehre und Studium trotzdem „Missstände […] nicht erkennen“ kann, verstehe ich noch nicht. Ich habe den Salzburger Vizerektor nach den Lernprozessen, die aus dem konkreten Plagiatsfall gezogen werden sollten, gefragt. Noch ist keine Antwort da.


bis 3.7., 15:30: keine weitere Antwort aus Salzburg, aber offenbar weitere Plagiatsfälle im Bereich SMBS / Uni Riga (lt. Tiroler Tageszeitung und plagiatsgutachten.com)

ABER:

plagiatsgutachten.com/blog/wissenschaftsskandal-smbs-riga/#comment-10091


Beitrag veröffentlicht

in

, ,
Subscribe
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

3 Comments
ältesten
neuesten am meisten bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
trackback

[…] School“ der Universität Salzburg („SMBS“) über Riga (Lettland) gelaufen war, zum Anlass genommen, dem Vizerektor für Lehre und Studium der Uni Salzburg, Herrn Prof. Weichbold, einige Fragen zu […]

trackback

[…] man sich mittlerweile sparen, denke ich, geht weiter. Ich habe zwar auf meine Fragen vom 2.7. bzw. vom 28.6. an den Vizerektor für Lehre und Studium noch keine Antworten bekommen, aber mittlerweile hat der […]

trackback

[…] 28.6.: Wege zu Doktoraten […]

3
0
Would love your thoughts, please comment.x