Gute Arbeit
Ein Artikel „Protokoll zeigt hohe Hürden auf“, geschrieben von „vogl“, gegengelesen („Lektorat“) von „filz“ – man darf da vielleicht Redakteurin Teresa Vogl und Politologe Peter Filzmaier hinter den Aküs vermuten – listet die derzeit offensichtlich bestehenden Differenzen und Widersprüche zwischen den Koalitionsverhandlern FPÖ und ÖVP auf. Das ist eine lange Liste – und das bedenkliche oder bedeutende an dieser Liste ist, dass diese Differenzen sehr oft auf ja-nein-Entscheidungen hinauslaufen. Es gibt da in wenigen Fragen Kompromissmöglichkeiten; entweder ist es so oder eben anders. Wie diese zwei Parteien auf ein gemeinsames Regierungsprogramm kommen sollen, wird schleierhaft.
Mit den Grünen hatte sich die ÖVP auf die Formel „Das Beste aus beiden Welten“ verständigt; das ist hier fast undenkbar. (Abgesehen davon geht es oft eben nicht um „das Beste“, sondern allenfalls um das „weniger Schlimme“.)
Ich muss sagen: der Artikel ist als Zusammenstellung des Dissenses gute Arbeit, sehr verdienstvoll. vogl und filz haben sich einige Arbeit angetan. (Ja, man kann mit V und F auch VernünFtiges machen!)
Im Detail
Ja, da könnte man jetzt ein Gesamtzitat des Artikels einfügen; das hätte aber wenig Sinn: der Artikel ist online, oben verlinkt und gut lesbar. Einen schnellen Überblick verschaffen vielleicht die Zwischenüberschriften – allerdings gibt’s die nicht überall:
- Die Uneinigkeit beginnt (noch ohne Überschrift) bei den Menschenrechten
- und setzt sich in Bezug auf die NATO und die EU fort
- Kein Konsens zu Holocaust-Museum und Zukunft des DÖW
- Uneinigkeit in Asylfrage
- Krisensicherheitsgesetz, CO2-Preis, Grundwehrdienst, ORF
- Einigkeit (!!!): Einschnitte bei Sozialem … da sind sich die „christlich-soziale“ ÖVP und die „soziale Heimatpartei“ FPÖ offenbar tatsächlich einig
- Wer bekommt welches Ministerium?
Die „Einigkeit“ bei den „Einschnitten bei Sozialem“ verdanken wir offensichtlich der gesamten FPÖ und dem sog. „Wirtschaftsflügel“ der ÖVP.
rechtsextrem!
Dass die ÖVP hier letztlich mit Rechtsextremen verhandelt, von denen einige auch durchaus am Neonazitum anstreifen, wird in einigen gesellschaftspolitischen Punkten sonnenklar. Die FPÖ ist für eine Abschaffung (!!!) des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW): offenbar ist die gut dokumentierte Entstehung der Partei aus ehemaligen Nationalsozialisten in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts immer noch prägend und die Dokumentation der Entstehung viel störender als die Entstehung selbst. Für mich ist eine Abschaffung des DÖW undenkbar! Wenn sich die Republik Österreich aus der Dokumentation des Widerstands verabschiedet, ist das eine internationale Schande.
Im „Kampf gegen jede Form von Extremismus (links, rechts, politisch oder religiös)“ sind sich die Verhandler nicht einig; das steht auf rot! Offenbar will die FPÖ rechten Extremismus nicht bekämpfen. Naja: sie lebt ja auch von ihm; sie bezieht personellen Nachschub von dort. Die FPÖ will auch keine Klarnamenpflicht im Internet – das würde ihre anonymen Kampf-Poster ja behindern. Und selbstverständlich ist sie gegen ein Holocaust-Museum.
Aber die Differenzen und Wisersprüche beziehen sich eben nicht nur auf ideologische Hintergründe; sie betreffen auch die tägliche politische Praxis.