michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Dialog mit dem VCÖ

Ich bin Mitglied des VCO, des „Verkehrsclubs Österreich“. Das ist eine Umwelt-NGO, die sich auch der Autofahrer* annimmt – und auch eine Pannenhilfe anbietet, jenseits von ÖAMTC und ARBÖ, bei denen ich nie Mitglied sein wollte, weil die immer sehr eindimensional eine Politik für das Auto betrieben haben. Mittlerweile verfüge ich sogar über eine Ehrenurkunde für 30-jährige Mitgliedschaft im VCÖ. In diesen 30 Jahren hatte ich ca. 4 Fälle, in denen ich für mein Auto Pannenhilfe benötigte; die war dann immer relativ flott da: ARBÖ oder ÖAMTC hätten nicht viel schneller sein können. (Heute brauche ich keine Pannenhilfe mehr, denn ich brauche kein Auto mehr – und hab deshalb auch keines mehr.)

Der VCÖ betreibt zwar eine Pannenhilfe, aber keine eindimensionale Politik fürs Auto, sondern eine umfassende, breit angelegte Mobilitätspolitik. Das ist auch gut so. Mir ist das in Summe an sich sympathisch – aber zu soft, zu bedächtig, zu wenig radikal.

Ich hatte vor Kurzem mit einem VCÖ-Mitarbeiter einen elektronischen Dialog. Nachfolgend der letzte Briefwechsel …

VCÖ an mich

Sehr geehrter Herr Dr. Bürkle,

danke für Ihre Antwort und Ihr Engagement in Sachen Verkehr und Mobilität!

Die Forderung nach niedrigeren Tempo-Limits und Verringerung des Verkehrsaufwandes vor allem im motorisierten Individualverkehr tragen wir als Organisation seit vielen Jahren konsequent nach außen. Unsere Beobachtungen dabei: Das Thema kommt an, es gibt ein zunehmend breiteres Interesse dafür aber auch eine zunehmende Polarisierung.

Allgemeine Tempolimits sind bundespolitische Entscheidungen – weder in den vergangenen, noch in der aktuellen Regierungskonstellation waren und sind da große Veränderungen zu erwarten. Und auch wenn wir an künftige Regierungskonstellationen denken, schaut das nicht gut aus. ÖVP und FPÖ strikt dagegen, die SPÖ dagegen. Die Aufgabe ist also, ein Umdenken in der breiten Bevölkerung zu erwirken, das sich dann auf (partei-)politische Grundeinstellungen und Entscheidungen auswirkt. Das dauert und vor allem ist hier der Ruf nach massiven bzw. radikalen Maßnahmen nicht zielführend.

Wir haben einen gewissen Anteil in der Bevölkerung, der nicht „überzeugt“ werden kann und einen Anteil der nicht mehr überzeugt werden muss. Diese außer Acht gelassen haben wir eine große Menge an Menschen, die überzeugt werden kann – mit Bedacht und Geduld. Als Organisation haben wir diesen konstruktiven, realistischen Weg gewählt. Da braucht es einen langen Atem, den wir dank der Unterstützung von Menschen wie Ihnen haben. Umso wichtiger ist es aber auch, dass Menschen wie Sie privat Überzeugungsarbeit leisten – herzlichen Dank dafür!

Herzliche Grüße

Darauf ich an den VCÖ

Sehr geehrter Herr …,

wir sind da verschiedener Ansicht; leider.
Sie schreiben: „Das dauert und vor allem ist hier der Ruf nach massiven bzw. radikalen Maßnahmen nicht zielführend.“

Doch; der wäre zielführend. Wer wenn nicht die Umwelt-NGOs könnte da rufen? Die Klimakatastrophe betrifft immer mehr Menschen direkt; wenn die Umwelt-NGOs mit der Forderung nach radikalen Maßnahmen warten, bis die Mehrheit direkt betroffen ist, wird es zu spät sein.

Sie – als Vertreter des VCÖ – haben die Aufgabe einer umweltpolitischen Avantgarde. Wer wenn nicht Sie? (Natürlich nicht nur Sie persönlich.). Sie schreiben „mit Bedacht und Geduld“. Aber die Zeit läuft davon; Sie und mit Ihnen wir alle werden es mit Bedacht und Geduld verpennen.

Sorry. Very sad.
michael bürkle

Wie spät ist es?

Wie spät ist es? Ich finde, es ist schon extrem spät und es wären massive Eingriffe in unsere täglichen Gewohnheiten nötig, wenn wir die Biosphäre des Planeten den nächsten beiden Generationen noch halbwegs lebensfähig übergeben wollen. Wir müssen schnell verzichten lernen: auf die tägliche, selbstverständliche Autofahrt; auf das Verbrennen von Öl und Gas nur für den Gewinn von Wärme; auf massiven Fleischkonsum; auf eine ungesunde Fleisch- und Milchwirtschaft überhaupt; auf das Verbrennen von Öl und Gas für nutzlose Produktionen; auf nutzlose Produkte sowieso; auf kontinentalen Flugverkehr über ein dringliches Maß hinaus; auf Kreuzfahrtreisen; auf interkontinentale Lieferketten für Produkte, die man auch regional herstellen kann …

Herr X. vom VCÖ meint, es sei noch Zeit für „Bedacht und Geduld“.

Ich hoffe, er hat recht. Ich fürchte, ich habe recht.

Gibt es eine andere Lösung als Verzichten?

Auf einigen Internet-Seiten geistert eine „Lösung“ herum: die Kernfusion als quasi-unendliche Energiequelle für alles.

Das wird sich freilich zeitlich nicht ausgehen. Es ist unklar, wann die Kernfusion nicht nur Energie verbrauchen, sondern Energie liefern würde. Harald Lesch – und mit ihm viele Physiker* – geht davon aus, dass Kernfusion frühestens in 30 Jahren ökonomisch funktionieren kann (Dauer des Videos: knapp 25 Minuten).

Das ist erstens unsicher und zweitens für die Rettung der Biosphäre definitiv zu spät. Wir werden auf ein ordentliches Maß an Verzicht nicht herumkommen: Verzicht auf „lieb“ gewonnene schlechte Angewohnheiten: die tägliche Autofahrt, die Flug- oder Kreuzfahrtreise, das regelmäßige Schnitzel …


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