Die Diakonie gibt keine Wahlempfehlung
Ich habe von der Diakonie der evangelischen Kirche unter dem Titel „Demokratie wählen“ ein „Argumentarium“ zur Nationalratswahl bekommen. Ich lege das Papier hier zur Gänze zum download vor; jede und jeder kann es lesen.
Das Papier der Diakonie ist sehr gründlich; dementsprechend hat es 8 Seiten 3-spaltigen Text mit Literaturangaben. Nirgends wird die Wahl einer Partei nahegelegt; nirgends wird explizit von der Wahl einer Partei abgeraten. Aber wer das Papier mit Verstand liest, merkt: man kann nicht die FPÖ wählen. Und auch für eine Wahl der ÖVP spricht im Text der Diakonie praktisch nichts. (Insofern stimme ich mit der Diakonie hier völlig überein.)
Ich erlaube mir in der Folge, aus dem Papier der Diakonie einfach zu zitieren. Wichtige Dinge habe ich fett formatiert:
Aus dem Papier
Ausschnitte aus dem Argumentarium Nr. 9 „Demokratie wählen“ des „Instituts für öffentliche Theologie und Ethik“ der Diakonie Österreich
(Formatierungen in fett von mir)
Diakonie und evangelische Kirchen haben Respekt vor der Bedeutung von politischen Parteien und der Arbeit von Politiker:innen. Diesen Respekt fordern sie auch im öffentlichen Diskurs ein.
Es passt nicht zu einer christlichen Grundhaltung, wenn eine politische Partei respektlos über den politischen Gegner spricht oder ihn verunglimpft, oder wenn eine politische Partei Politiker:innen anderer Parteien persönlich angreift und dabei untergriffig wird oder Falschaussagen über sie verbreitet. (S. 2, Sp. 1)
Die unantastbare Würde des Menschen ist Ausgangspunkt und Zielpunkt des christlichen Menschenbildes. Es ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, wenn die gleiche Würde aller Menschen geleugnet oder relativiert wird. Dies ist der Fall bei Ideologien, die „das Volk“ vor das gemeinsame Menschsein stellen. Sie behaupten, dass sich Völker nach ihrem Wesen unterscheiden und sich nicht „mischen“ dürfen. Das „Volk“ ist für diese Ideologien eine identitäre Monokultur, eine Abstammungs- und letztlich eine Blutsgemeinschaft. Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung wird prinzipiell abgelehnt, die plurale Demokratie durch einen völkischer Nationalismus ersetzt. Wer dem „Volk“ nicht angehört, soll weniger Rechte haben. (S. 2, Sp. 2)
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, sagt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Artikel 1. Die Menschenrechte buchstabieren die Menschenwürde aus. Sie sagen, was garantiert sein muss, damit die Menschwürde geachtet wird. Wo die Menschenrechte in Frage gestellt oder verletzt werden, ist es Aufgabe der Kirchen und ihrer Diakonie, sie zu verteidigen. Die Menschenrechte sind die Basis unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sie sind geboren aus den Schrecken des Nationalsozialismus.
Im Nationalsozialismus wurden bestimmte Menschen aufgrund bestimmter Merkmale rechtlos gemacht. Juden und Jüdinnen, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, als „asozial“ Diffamierte, so genannte „Volksfremde“, aber auch politisch Andersdenkende wurden als „Schädlinge“ bezeichnet, verfolgt und ermordet. Diese Erfahrungen führten dazu, dass nach dem Ende der Naziherrschaft die Menschenrechte international kodifiziert wurden. Die Vereinten Nationen haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. In Europa wurden die Europäische Menschenrechtskonvention und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte etabliert. Sie stellen sicher, dass jeder Mensch gleiche Rechte hat und diese auch dann genießen kann, wenn sie ihm in seinem Heimatstaat verweigert werden. (S. 2, Sp. 2-3)
Aus evangelischer Sicht sind politische Programme daraufhin zu befragen: Wie kommen „die Geringsten“ – Menschen in Österreich und anderswo auf der Welt, die von Armut betroffen sind, Menschen auf der Flucht, Menschen mit Behinderungen, mit Pflegebedarf, Kranke, Menschen, die kein soziales Netz haben – vor in politischen Programmen? Werden sie gehört – oder werden sie diskriminiert, verachtet, ausgegrenzt, vergessen? Wie wird über sie gesprochen? Werden ihre Interessen berücksichtigt? Welche Maßnahmen gibt es zu ihrer Unterstützung? (S. 3, Sp. 3)
Politisch ist wichtig, zwischen Flucht und Migration zu unterscheiden. Bei Verfolgung Asyl zu suchen, ist ein >>Menschenrecht und als solches unveräußerlich. D.h. jede:r Mensch muss die reale Möglichkeit haben, einen Asylantrag zu stellen, der in einem fairen Verfahren geprüft wird. Über Asyl als Grundrecht kann nicht abgestimmt werden. Denn Grund- und Menschenrechte Mehrheitsentscheidungen anheim zu stellen, würde sie ihres Sinns berauben. Über Zuwanderung und ihre Bedingungen hingegen entscheiden politische Mehrheiten, das gehört zur demokratischen Willensbildung. (S. 4, Sp. 1-2)
Es ist Aufgabe der Politik, Integration nicht nur zu fordern, sondern konkrete Maßnahmen (Deutschkurse, Integrationswohnungen, Zugang zum Arbeitsmarkt, Integrations-Coaches, Kindergartenplätze, Integrationshilfen in der Schule etc.) zu setzen, um zu ermöglichen, dass sich Menschen integrieren und ihren Beitrag leisten können. [>>Haltung zu Leistung und Verantwortung] (S. 4, Sp. 2)
Wovon genau sprechen wir, wenn wir von Demokratie sprechen? Demokratien sind Staaten, in denen politische Fragen in fairen öffentlichen Diskussionen und in genau geregelten Verfahren gelöst werden, in denen regelmäßig freie Wahlen stattfinden und Amtsträger:innen des Staates ihre Entscheidungen gegenüber den Bürger:innen verantworten.
Wichtig dabei ist: Demokratie heißt nicht platt, die Mehrheit bestimmt. Demokratie sichert >>Freiheit und Gleichheit für alle [>>Haltung zur Menschenwürde]. Darum gibt es Grenzen für das, was die Mehrheit in einer Demokratie beschließen darf. Und deshalb ist der Schutz von Minderheiten wesentlich für eine Demokratie. (S. 6, Sp. 2)
Christ:innen verstehen die Welt als Schöpfung Gottes und sich selbst als Teil der Schöpfung. Sie sehen sich in die Verantwortung gerufen, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren. (Gen 2,15) Heute, angesichts der dramatischen Klimaveränderungen, verlangt dies entschiedenen Einsatz für den Klimaschutz.
Die Klimakrise mahnt zur Nächstenliebe, zur Empathie für alle Geschöpfe, die unter den Folgen der Krise leiden, und zur Gerechtigkeit. Dabei muss gesehen werden: Unsere Lebensweise trägt wesentlich zur Klimakrise bei. Doch nicht alle sind im gleichen Maße für die Klimakrise verantwortlich. Reiche belasten die Umwelt durch ungleich höheren Treibhausgasausstoß und Ressourcenverbrauch deutlich mehr als Arme. Gleichzeitig treffen die Folgen der Klimakrise Arme härter als Reiche, und sie haben weniger Mittel, um die Folgen abzufedern. Das gilt sowohl global, im Verhältnis zwischen reichen Industrieländern und Ländern des globalen Südens, als auch in Österreich. (S. 7-8, Sp. 3-2)
Zusammenfassend
Viel deutlicher kann eine (christliche) Kirche kurz vor einer Wahl nicht werden.
[…] FPÖ und die ÖVP nicht zu wählen. Ich habe vielfach darüber geschrieben; zuletzt habe ich als „Was die Diakonie sagt“ ein Papier der Diakonie […]