Meine Unzufriedenheit
Am 14. Juni habe ich „meiner“ Zeitung, dem Standard, den ich seit seinen Anfängen abonniert habe, einen Brief geschrieben. Ich habe darin Qualitätsverluste skizziert und Vermutungen darüber geäußert, wie es zu diesen Qualitätsverlusten kommen konnte. Ich habe vermutet, dass das mit dem neuen Chefredakteur zu tun haben könnte.
Leider habe ich bis heute keine Antwort bekommen.
Der Presserat
Aber der Presserat, das „Selbstkontrollorgan“ der österreichischen Presse, hat reagiert. Er hat die auch von mir als problematisch erkannte Berichterstattung zur EU-Kandidatur von Lena Schilling „gerügt“. Der Presserat hielt zwar fest, dass „unter bestimmten Umständen auch über Privates von Politikerinnen und Politikern berichtet werden kann“. Allerdings verstoße der Artikel „Lena Schillings EU-Kandidatur gerät in Turbulenzen‘“, […] gegen die Punkte 2.1 (gewissenhafte und korrekte Wiedergabe von Nachrichten) und 2.2 (anonyme Zitierungen) des Ehrenkodex für die österreichische Presse“.
Ja, das sehe ich auch so.
Der Presserat hat es sich nicht leicht gemacht. Er hat seine Befunde in einem 15-seitigen Papier veröffentlicht, in dem auch der Chefredakteur des Standard Stellung beziehen konnte. (Ich habe das Papier oben zitiert.) Der Presserat sieht Teile der Berichterstattung als journalistisch korrekt an; „Im Gegensatz dazu erachtet es der Senat jedoch als medienethisch problematisch, dass der Bericht zahlreiche weitere Passagen enthält, die ausschließlich persönliche Wertungen und Meinungen zu Lena Schilling enthalten“.
Ja, das sehe ich auch so.
Auch die Verwendung von anonymen Zitaten hält der Presserat im Prinzip für möglich. Aber: „Eine Grenze ist jedoch dort erreicht, wo anonyme Zitate lediglich dazu dienen, den Charakter einer einzelnen Person in ein negatives Licht zu rücken, ohne dass dafür ein entsprechendes Tatsachensubstrat veröffentlicht wird“.
Ja, das sehe ich auch so.
zusammenfassend
Der Senat des Presserats fasst zusammen:
Der Senat hält diese Positionierung jedoch für angebracht, um auch in Zukunft einen verantwortungsbewussten Umgang der Medien mit Informationen und Auskünften über einzelne Personen zu gewährleisten.
Andernfalls wäre es möglich, in Artikeln oder Portraits von öffentlich bekannten Personen bloß eine Reihe von anonymisierten negativen Werturteilen wiederzugeben und damit die betroffene Person zu diskreditieren (anonyme „Heckenschützen“ hätten somit ein leichtes Spiel).