Worin bestehen die massiven Probleme der Deutschen Bahn?
Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber ich habe Erfahrungen dazu. Leider.
Der Stein des Anstoßes
Am 31.7. wollte ich mit der Deutschen Bahn von Berlin über München nach Innsbruck reisen. Wir – meine Frau und ich – hatten Tickets erster Klasse gelöst, weil ich mit meiner Gehbehinderung dort wesentlich leichter sitzen kann. Geplant war der Zug, der Berlin-Hauptbahnhof am Bahnsteig 1 um 12:05 verlässt.
Wir waren um ca. 11:30 am Bahnsteig und positionierten uns gemäß Wagenstandsanzeiger im Bahnsteigbereich A. Als der Zug der DB eintraf, waren die Waggons am Bahnsteigbereich A versperrt. Wir wurden durch heftiges Gestikulieren und Rufen aufgefordert, „nach hinten“, in den Bahnsteigbereich G zu gehen. (Das sind etwa 250 m.)
Wir machten uns auf den Weg: viele Reisenden rannten. Meine Frau mit einem zusammengeklappten Klappfahrrad und ich mit Krücke und einer großen Reisetasche, die ich hinter mir herzog, waren nicht so schnell.
Meine Frau schaffte es in der Zeit – sie durfte den Waggon aber nicht besteigen. Ich war noch etwa 30 m entfernt, aber ein gut sichtbarer gehbehinderter Mensch mit Reisetasche auf dem Weg zum Zug.
Da schlossen die Zugbegleiter die Türen und der Zug fuhr ab.
Das ist mir noch nie in einer auch nur ähnlichen Weise passiert. Nicht bei den ÖBB; nicht in der Schweiz und auch nicht in Italien.
Meine Reaktion
Ich habe die DB am 1.8. und am 2.8. in 2 getrennten Mails vom Sachverhalt ausführlich informiert. Seither warte ich auf Antwort. Ich habe die DB informiert, dass ich die entstehende Kommunikation in meinem Blog nachvollziehbar mache. Das tue ich hiermit:
Noch ist keinerlei Reaktion der DB vorhanden.
Die Ursache?
Freunde, die auch Erfahrung mit der DB haben, erklären mir, das sei in Berlin völlig normal. Warum?
- Sind die Mitarbeiter der DB so unter Stress, dass sie einen sichtlich Behinderten ignorieren und den Zug abfahren lassen, obwohl der kurz vor dem Einstieg wäre?
- Sie die Mitarbeiter der DB so gefrustet, dass ihnen das alles egal ist und dass man jemandem, der ein sichtlich schweres Gepäckstück schleppt, nicht beim Einsteigen hilft?
- Ist die DB über Kundenfreundlichkeit völlig erhaben? Sind ihr die Passagiere wurscht, wenn sie schon bezahlt haben?
- Will die DB eigentlich gar keine Kunden? Sind Kunden das störende Element? Sollen die Leute besser fliegen?
- Oder sind die Angestellten der DB so miserabel bezahlt, dass sie als eine Art „Dienst nach Vorschrift“ in einen Dauer-Bummelstreik getreten sind?
- Ist der Zustand der DB ein Teil des Zustands der deutschen Verkehrspolitik? Ist das dort so? Ist das dort so „richtig“?
Ich weiß es nicht.
Die Bahn als Verkehrsmittel …
… wäre extrem wichtig. Man müsste den kontinentalen Flugverkehr in Zeiten des Kimaschutzes in seinen wesentlichen Teilen durch Züge ersetzen. Dabei bleibe ich. Aber im Zustand der DB geht das nicht.
Die Antwort der DB vom 6.8. (von „kundendialog@bahn.de“): – – – Ihre Nachricht vom: 2. August 2021 Unser Zeichen: 1-1417xxxxxxxxxx Sehr geehrter Herr Dr. Bürkle, vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir bedauern, dass Ihre Bahnreise am 31. Juli 2021 nicht wie es von Ihnen zu erwarten war, verlaufen ist. Besonders bedauern wir, dass Sie nicht in Berlin Hbf nicht mehr in den ICE steigen konnten. Ihren Wunsch, in Berlin Hbf noch in den ICE 1005 einzusteigen, können wir gut verstehen. Im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit war das jedoch leider nicht möglich. Wenn die Abfahrtszeit erreicht… Mehr »
Immerhin … die eingeforderte Entschuldigung ist da. Ich habe aber auch noch finanzielle Entschädigungen gefordert und deshalb noch einmal nachgelegt: – – – Sehr geehrte Damen und Herren, erstmal danke für die Antwort; ich werde sie in meinem Blog anführen. Dann: Die Entschuldigung nehme ich an. Ihre Erklärung ist aber unvollständig: wenn ein sichtlich behinderter Mensch den Zug erreichen will, gehört dieser Zug eben nicht „freigegeben“. Da liegt der Fehler. Ich war mit Krücke vom Bahnsteigbereich A in den Bahnsteigbereich G unterwegs und konnte sehr gut wahrgenommen werden. (Ich bin 1,90.) Ich sehe nicht ein, dass unter diesen Umständen ein… Mehr »
Die Deutsche Bahn hat noch einmal geantwortet. Sie übermittelt mir einen Gutschein über € 40 als „Geste einer Entschuldiung“ und verspricht, meine weiteren Anliegen an das „Servicecenter Fahrgast“ zu übermitteln, das dafür zuständig sei: – – – Ihre Nachricht vom: 6. August 2021 Unser Zeichen: 1-1418xxxxxxx Sehr geehrter Herr Dr. Bürkle, vielen Dank für Ihre E-Mail. Wir bedauern, dass unsere Antwort vom 6. August 2021 Ihnen Anlass zur Kritik gibt. Zunächst bedanken wir uns sehr herzlich, dass Sie die Deutsche Bahn in Ihre persönliche Reiseplanung einbeziehen. Als Kunde haben Sie zweifelsohne hohe Erwartungen an uns. Ein exquisiter… Mehr »
Ich habe noch einmal nachgelegt. Ein „exquisiter Fahrkomfort“ ist mir egal: ich will einfach nur ordentlich behandelt und befördert werden. Und meine Ansprüche sind mit dem Gutschein noch nicht erfüllt; der Gutschein ist ja nur eine „Geste der Entschuldigung“: – – – Sehr geehrte Damen und Herren, danke für den Gutschein über € 40 als Geste einer Entschuldigung. Ich warte nun noch auf die Antwort des Servicecenters Fahrgastrechte bzgl. meiner Entschädigungen für meine finanziellen Einbußen (Differenz 1. Klasse vs. 2. Klasse Berlin – München (2 Personen); Verspätung 2 Stunden. Ich fühle mich insofern missverstanden, als es nicht um einen „exquisiten… Mehr »
21. August: es zieht sich
Aber die DB meldet sich wieder:
– –
Ihre Nachricht vom: 13. August 2021
Unser Zeichen: 1-1420………….
Sehr geehrter Herr Dr. Bürkle,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
In Bezug auf die Antwort des Servicecenters Fahrgastrechte bitten wir Sie noch um Geduld.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team vom Kundendialog
Also die Begründung von wegen „im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit“ sowie die Argumentation dafür sind schlichtweg eine Frechheit!
Unglaublich was Ihr erlebt habt.
Wenn man von einem Deutschen einen Beamten macht und Ihm ein Uniform anzieht, legt er einen Teil seiner Menschlichkeit ab.
Polizeigewalt in Berlin gegen friedlichen Demonstranten einen Tag spaeter zeigen das auch wieder.
Die Mentalitaet wird nicht besser, ich wuerde mir in deiner Stelle einen geraumiges Auto kaufen und damit Unabhangigkeit erwerben.
Lieber Jan Kees,
nein, ich werde mir trotz des Verhaltens der Deutschen Bahnbeamten kein geräumiges Auto kaufen. Autos gehören ins Denken des 20. Jahrhunderts. Im 21. Jahrhundert brauchen wir Dinge, die kein CO2 ausstoßen.
Gerade Ihr Niederländer müsst dringend darauf schauen, dass der Meeresspiegel nicht steigt. Ich helfe gerne mit.
LG
michael