michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

„Das ist so, weil …“: Mathematische Rätsel am Abendgymnasium

Im März habe ich eine lang gehegte Idee realisiert: eine Seite, einen „Arbeitsbereich“, eine „Lernplattform“, in der mathematisch-logische Rätsel diskutiert und gelöst werden können. Nein, für gelöste Rätsel gibt es keine Schulnoten: keine schlechten für falsche Lösungen und keine guten für richtige. Der Zugang zum Rätselbereich ist freiwillig; man kann sich jederzeit an- und abmelden. Wo? In moodle, Fachbereich Mathematik, „Mathematisch-logische Rätsel u.ä.“. Es gibt kein Passwort und keinen Schlüssel, der Eingang ist immer offen. Derzeit nehmen etwa 20 Personen teil. Von den bisherigen 5 Rätseln wurden 3 durch die TeilnehmerInnen gelöst (eigentlich 4, aber die vierte „richtige Lösung“ hatte keine korrekte Begründung).

Warum zu den Hunderten von Rätselseiten im Internet eine weitere? Weil es hier nicht nur um richtige Lösungen geht, sondern vor allem um Argumente. Und weil man hier in einem halb-öffentlichen Bereich diskutieren kann, mit Menschen, denen man real begegnen kann, und mit einer Verwaltung, die keine Mail-Adressen für Werbezwecke missbraucht.

Wie sieht das aus? Alle paar Wochen formuliere ich ein Rätsel, das mathematisch-logisch gelöst werden kann. Die TeilnehmerInnen des Rätselbereichs bringen Lösungsvorschläge ein … und können auch auf die Lösungsvorschläge anderer eingehen. Wichtig dabei sind mir Diskussion und Argumentation. Auch „falsche“ Argumente können sehr interessant und lehrreich sein.

Warum die Einschränkung auf „mathematisch-logische“ Rätsel? Weil ich fest davon überzeugt bin, dass Mathematik und Logik unser gesamtes Leben durchziehen, ob wir wollen oder nicht und ob wir es merken oder nicht. Weil ich glaube, dass Mathematik und Logik Spaß und Freude machen können, und weil ich manchmal merke, dass Mathematikunterricht es nicht immer schafft, diese Lust am Denken zu vermitteln. Ja, ich bin mathematischer Überzeugungstäter.

Beispiele gefällig?

Mitte April – der zweite Kolloquiumstermin begann gerade zu laufen – habe ich ein international millionenfach diskutiertes Problem in einen schulischen Kontext übersetzt und als Rätsel gestellt:

Rätsel 3: die leichte Prüfungsaufgabe

Stellen Sie sich vor, Sie treten bei Prof. X zu einem Kolloquium an. Prof. X sieht sich 3 Aufgabenblätter genau an, hält sie Ihnen dann verdeckt hin und sagt zu Ihnen: „Wählen Sie ein Blatt aus! Zwei sind echt schwierig, aber eines ist ganz leicht.“

„Na servus, das kann ja heiter werden“, denken Sie und zeigen auf ein Blatt. Darauf Prof. X: „Moment, ich zeig Ihnen was.“ Prof. X dreht eines der beiden anderen Blätter um und Sie erkennen sofort, dass das sehr schwer wäre. Nun meint X: „Wollen Sie sich Ihre Wahl noch einmal überlegen? Bleiben Sie bei Ihrem Blatt oder wählen Sie das andere?

Sie haben also eines der beiden nicht von Ihnen gewählten Aufgabenblätter gesehen und als schwierig erkannt. Sie haben eine Wahl getroffen und könnten Ihre Wahl ändern. Sollen Sie Ihre Wahl ändern, wenn Sie die leichten Aufgaben bekommen wollen? Können Sie durch Änderung des gewählten Aufgabenblatts die Chancen auf die leichten Aufgaben erhöhen? Oder ist es völlig egal? Zuerst war Ihre Chance auf die leichten Aufgaben 1/3. Ist sie jetzt immer noch 1/3? Ist sie jetzt 1/2, „fifty-fifty“? Ist noch mehr drin als 50%? Hat Prof. X mit dem Spielchen Ihre Chancen substanziell verbessert?

Was meinen Sie? Was würden Sie tun? Und können Sie Ihre Wahl begründen?

Die meisten Menschen antworten intuitiv, dass die Chance für die leichten Aufgaben nun 50:50 beträgt und dass es also keinen Sinn hat zu wechseln. Aber das stimmt nicht!

Die richtige Lösung und eine Diskussion dazu finden Sie im Rätselbereich. Oder im Internet. Dort unter dem Stichwort „Monty Hall Problem“ oder „Ziegenproblem“.

Am 10. Mai habe ich ein altes, indisch-arabisches Problem als Rätsel formuliert. Es geht um gerechtes Teilen:

Rätsel 5: gerecht teilen

In der arabischen Wüste (oder in den Tiroler Bergen) sitzen 2 Menschen A und B (Achmed und Bahar; oder Anna und Bernhard) abends an einem Feuer. Sie wollen gerade mit dem Essen beginnen, als um eine Düne (hinter einen Hügel) eine dritte Person (C) erscheint. Gastlich wie die Araber (die Tiroler) eben sind, bieten sie dem dritten Menschen einen Platz an ihrem Feuer an.

Sie teilen auch ihre Brote mit C. A hat 5 Brote, B 3. Alle drei essen etwa gleich viel. Danach steht C auf, bedankt sich herzlich und überreicht A und B 8 Goldstücke (100-Euro-Scheine) und fordert sie auf, sie gerecht unter ihnen aufzuteilen.

Welche Aufteilung ist gerecht?

Sind Sie für 5:3? Oder für 4:4?

Beide Lösungen kommen immer und kamen auch bei uns im Rätselforum. Beide lassen sich argumentieren, aber beide stimmen mit der klassisch-orientalen, indisch-arabischen Lösung nicht überein. Was ist hier „gerecht“? Gibt es für die Frage nach der Gerechtigkeit eine mathematisch-logische Hilfestellung?

Die richtige Lösung und eine Diskussion dazu finden Sie im Rätselbereich.

Das Rätsel, das sich mir alle paar Wochen stellt, ist: was stelle ich als nächstes? Mein Fundus ist groß. Doch wenn ich Vorschläge bekomme, lasse ich die gerne einfließen.


erschienen in: Karin Eliskases, Hg. (2015): Jahresbericht der Bundesgymnasiums für Berufstätige Innsbruck 2014/15. S. 34-35.


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