Für den Sommertermin am Abendgymnasium Innsbruck hatten sich 95 KandidatInnen angemeldet – viel mehr als sonst. 91 konnten zugelassen werden, 82 haben die Matura geschafft – etwa doppelt so viele wie bei einem normalen Sommertermin.
Was war die Ursache? Die Prüfungserleichterungen durch Corona? Ganz sicher nicht. Wir machten sehr bald Anmeldeschluss und da war noch nichts davon bekannt, dass „mündliche Reifeprüfungen nicht stattfinden müssen“. Alle unsere KandidatInnen mussten bei der Anmeldung davon ausgehen, dass die angemeldeten Prüfungen auch stattfinden. Nein: ich vermute, dass der wahre Grund die Vorwissenschaftliche Arbeit ist. Seit einigen Semestern wissen unsere Studierenden, dass ab dem Sommertermin 2021 solche Arbeiten verlangt werden. Und viele wollen das Studium noch vorher beenden und arbeiten seit einiger Zeit zielbewusst darauf hin.
Am 8. Juni waren die schriftlichen Arbeiten beendet und es war klar, dass nicht viele mündliche Reifeprüfungen stattfinden würden. Wir haben dann am 25. und 26. Juni 2 Tage lang geprüft – statt 10 Tage wie üblich. Natürlich mussten einige mündliche Prüfungen stattfinden: vor allem Wiederholungen.
Aber am 12. Juni war klar: 53 KandidatInnen hatten bereits bestanden; bei gut 30 fielen noch Prüfungen an.
Die Corona-Situation war da in Österreich relativ entspannt. Vom Rotarier-Cluster in Salzburg, bei dem ein Zusammentreffen von 26 älteren Herren 15 Corona-Infektionen generiert hatte, war noch nichts bekannt. Man konnte an eine kleine Maturafeier denken. Ich rechnete mit etwa 20 MaturantInnen, die sich dafür interessieren würden – die anderen würden wohl schon über alle Berge sein und alle kommen sowieso nie: das sind ja arbeitende Menschen, die haben nur bedingt Zeit, die holen sich das Zeugnis in der Direktion.
Die Terminfindung gestaltete sich als schwierig. Einige schlugen den 26. Juni abends vor – aber so schnell mit der Herstellung der Maturazeugnisse sind nicht einmal wir. Mo 29.6. stand zur Diskussion – aber da hatten Familienmitglieder, die aus anderen Bundesländern zureisen mussten, keine Gelegenheit. Fr 10.7. – der letzte Semestertag? Nein, da würden viele tatsächlich bereits über alle Berge sein. Wir kupferten uns schlussendlich den Samstag, 27.6. von der Uni ab. Die Uni verteilt Sponsions- und Promotionsurkunden auch an Samstagen.
Der Termin fand Gefallen; großes Gefallen. Zu großes Gefallen. Bald hatten sich 30 Maturantinnen und Maturanten mit insgesamt über 50 Personen Begleitung angemeldet. Aber eine Band gab es ja auch, und LehrerInnen wollten auch teilnehmen, und mehr als 100 Personen durfte so ein Feier nicht umfassen. Also musste ich die Anzahl der zulässigen Begleitungen auf 1 einschränken. Immer mehr meldeten sich an. Zuletzt meinte ich sogar, Anmeldungen abweisen zu müssen. Letztlich waren 44 der MaturantInnen mit einer Menge von insgesamt 82 Personen angemeldet.
Dann kam die Nachricht vom Rotarier-Fall in Salzburg. Mir wurde es unheimlich. Zwei Tage vor der Maturafeier saß ich im Schulhof und hatte die rettende Idee: wir haben im Schulhof eine Art Vertiefung zwischen den Turnsälen; auf der Nord- und der Südseite jeweils 8 Geh- und 4 Sitzstufen. Auf der West- und Ostseite senkrechte, holzverkleidete Wände. Ein Holzboden. Man konnte das als „Arena“ durchgehen lassen – halt rechteckig. Wir machen die Maturafeier nicht im geschlossenen Raum, sondern im Freien. Wenn man die Arena ein bisserl putzt und herrichtet …
Am Abend des 26. Juni erzeugten wir noch 82 Maturazeugnisse – inclusive Korrekturlesen. Wir haben die Maturafeier dann für 44 Maturantinnen und Maturanten am 27. Juni ab 11 Uhr in der frischen Luft in dieser Arena abgehalten. Insgesamt waren wir knapp unter 100 Personen. Es war eine sehr nette (nachträglich hoch gelobte) Feier – eine Feier, die sich nach diesem Semester, das bei uns fast nur mehr online stattgefunden hatte, alle verdient hatten. Zwei Studierende, Herr Aly und Frau Laner, hielten kurze, aber wesentliche Ansprachen. Ich übergab in 3 Gruppen zunächst 44 Maturazeugnisse, allerdings ohne Handschlag: ich überrreichte das Zeugnis, der Absolvent ergriff es, Foto, ich ließ es los. Das Zeugnis als sichtbare Verbindung von der Schule zur Absolventin. 6 Zeugnisse wurden dann noch von Absolventinnen direkt abgeholt; um 12 waren fast alle mit ihren Familien zum Mittagessen verschwunden.
Ich war mir sicher, dass bei dieser Feier keine Viren groß gestreut worden sein konnten. Trotzdem verfolgte ich in den Tagen darauf die Nachrichten, ob irgendein Tiroler Cluster aufgetaucht war. Nein; keiner!