michael bürkle

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Michael Bürkle

„Ich brauche das Auto“

Es gibt in Österreich eine Menge Menschen, die der Meinung sind, dass sie ein Auto brauchen. Diese Menschen sind bei Aktionen gegen den Klimawandel skeptisch, ungeduldig oder sogar gewalttätig, weil sie sich in ihren elementaren Bedürfnissen massiv gestört fühlen.

Sehen wir uns diese Menschen an? Was kann / soll / muss man ihnen anbieten?

1. Die „Hirsche“

Ich meine die Hirsche, von denen Harald Lesch spricht; in einem Video ab 21:30 ganz am Schluss. „Sie können mir erzählen was Sie wollen, Herr Lesch. Ich bin ein Hirsch. Bei mir muss es röhren.“

Ich denke, die Hirsche kann man aussterben lassen; sie sind kein produktiver Beitrag zur Biodiversität. Wer ein „Auto braucht“, damit er immer wieder das Gefühl des „Gasgebens“ erlebt, bei dem der Motor röhrt – der muss sich umstellen. Diese Form des Glücksgefühls muss aussterben. Das betrifft z.B. die gesamte „Tuning-Szene“: (mehr oder weniger) junge (meist) Männer, die sich mit ihren aufgeblasenen Sportwagen illegale Rennen liefern. Ewige Kinder halt; nie erwachsen geworden; dementsprechend jähzornig: sie würden das „Brumm brumm“ der Verbrennungsmotoren brauchen, um sich glücklich fühlen zu können.

Ich denke, man kann den Hirschen Ersatzbefriedigung in virtuellen Welten zur Verfügung stellen.

2. Die Notwendigen

Es gibt zweifelsohne Tätigkeiten, die ein Auto benötigen; wir werden die Gesellschaft nicht völlig ohne Autos konzipieren können. Das fängt bei Einsatzfahrzeugen an; das geht über unvermeidbare Lieferungen und entsprechende Lieferfahrzeuge, über dezentrale Pflegeeinsätze bis zu Eltern, die z.B. für ihre Kinder wirklich komplizierte Wege zurücklegen müssen.

Aber da wird sich das meiste à la longue auch durch Elektroautos durchführen lassen. Diese Problemgruppe benötigt keine Verbrennungmotoren; sie braucht nur eine hoch-individuelle und komplexe Mobilität. Das geht auch elektrisch. Elektrische Mobilität wird billiger; man könnte mit individuellen Fördermaßnahmen zeitlich befristet Härten ausgleichen.

3. Die „Arbeiter“ (und Arbeiterinnen)

Es gibt Menschen, die jeden (Arbeits-)Tag morgens Stress haben: einen langen, komplizierten Weg zur Arbeit, auf dem sie auch noch Kinder in Kindergärten und Schulen abliefern müssen. Die meinen, das alles nur mit einem Auto unterbringen zu können. Das sind die, auf die sich die Politiker in ihren Stellungnahmen gegen Straßenblockaden der Letzten Generation beziehen: wie herzlos es doch sei, diese Menschen auf ihren wichtigen Wegen zu behindern.

(Ich habe auch zu dieser Gruppe gehört. Ich habe aus meiner Gehbehinderung die Notwendigkeit eines Autos abgeleitet, um von meinem Wohnort – Rum bei Innsbruck – zu meiner Arbeitsstelle nach Innsbruck oder zu meinen Eltern – Bürs bei Bludenz – zu kommen. Ich bin einem Irrtum aufgesessen: es geht gut auch ohne Auto. Mit Fahrrad, Bus und Bahn. Voraussetzung: die Öffis sind oder werden fahrradfreundlich.
Ich hätte es nie geschafft, zu meiner Öffi-Haltestelle zu gehen – viel zu weit, viel zu anstrengend. Mittlerweile lebe ich mit funktionierenden Rad-Öffi-Kombinationen und brauche kein Auto mehr.)

Was kann man gestressten Arbeiterinnen und Arbeitern anbieten? (1) das Fahrrad in Verbindung mit Öffis; (2) ein dem Klimaticket nachempfundenes „Kimaticket work“, das die öffentlichen Netze am Wohnort und am Arbeitsort enthält und nicht mehr kostet als die für den Arbeitsweg à la longue anfallenden Treibstoffkosten.

Ein wichtiger Schritt dabei ist die problemlose Verbindbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Fahrrad. Da gibt es Potenzial nach oben: im Winter kann man Schi auf einem Bus außen aufhängen. Das müsste im Sommer auch mit Rädern funktionieren.

Die Lösung?

Man könnte auf diese Weise sehr viele Autofahrten aus Peripherien in die städtischen Zentren vermeiden. Zur Gänze geht es nicht; ich will Autos nicht „abschaffen“ – nur auf den Verbrennungsmotor müssen wir mittelfristig völlig verzichten. Aber der verbleibende Rest fährt auf Dauer auch gut elektrisch und wird immer billiger.

Mit dem Klimaticket haben wir bereits einen großen Schritt zu einer Mobilität jenseits des Verbrennungsmotors getan. Ein paar kleinere Schritte fehlen noch.

Langfristig sollte man auch einer Wanderungsbewegung aus den Städten in die Speckgürtel entgegenarbeiten. Die Städte müssen menschlicher – das heißt vor allem: kinderfreundlicher – werden. Tempo 30 in den Städten muss selbstverständlich werden: mit oder ohne Verbrennungsmotor.


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