USA
Der US-Präsident macht Ernst mit vielen Ankündigungen, die man ihm kaum glauben konnte und schon gar nicht glauben wollte. Er lässt bereits vereinbarte Termine um die Zuerkennung von Einreiseerlaubnissen platzen; er schiebt Familien mit Kindern ab. Er verbreitet Angst und Schrecken. Eine anglikanische Bischöfin sieht sich gezwungen, das in ihrer Predigt direkt vor Trump zu thematisieren: sie fleht um Erbarmen für die Ausgegrenzten der Gesellschaft, die keine Staatsbürgerschaft haben. Sie fleht um Erbarmen für die Menschen, deren Geschlechtszuordnung nicht mit weiblich vs. männlich vorgenommen werden kann.
Auch der katholische Bischof von Chicago appelliert von Mexico-City aus „mit scharfen Worten […] gegen geplante Massenabschiebungen durch die künftige Regierung von US-Präsident Donald Trump gewandt“.
Das sind Symptome. Die Menschheit ist dabei, in eine Art Mittelalter zurückzukehren, in vordemokratische Zustände, in denen es noch keine Menschenrechte gegeben hat. Trump wird in vielen Karikaturen als mittelalterlicher Herrscher gezeichnet. Wir wenden uns mit Bittgesuchen an die Mächtigen; wir flehen um Erbarmen.
Wie weit sind wir in der Geschichte zurückgefallen? Müssen wir in der Geschichte so zurückfallen?
Österreich
In Österreich gibt es erst Verhandlungen zwischen zwei Parteien über die neue Regierung. Aber es gibt bereits viele Offene Briefe, in denen z.B. die Angst um Kunst und Kultur, um den Rechtsstaat, um die Pressefreiheit vorgetragen wird. Wir haben bereits eine Menge an Petitionen (Bittgesuchen), die an den noch gar nicht bestellten neuen Kanzler oder die neue Regierung oder an den Bundespräsidenten herangetragen werden. Auch wir hier befinden uns gedanklich bereits im Bitten um akzeptable Verhältnisse.
Vermutung
Ich vermute, dass erst jetzt vielen Menschen klar wird, was sie mit einer Stimme für die ÖVP – die „ganz sicher“ nicht mit der FPÖ unter Kickl koalieren werde – erreicht haben. Ich vermute sogar unter den FPÖ-Wählern einige, denen nicht mehr wohl ist. Ich hoffe, das führt zu Lerneffekten.
Ich vermute, dass auch in den USA erst jetzt vielen klar wird, was sie mit einer Stimme für Trump bewirkt haben und dass ihnen das nicht mehr gefällt. You got to learn it the hard way.
Ich möchte mir die Zukunft als ein Zeitalter der Menschenrechte und nicht des Flehens vorstellen. Wir brauchen dazu mehr Wissen über und mehr Bildung zur Demokratie. In den Schulen, aber nicht nur dort.