Eine Alterserscheinung
Meine Hausärztin und meine Ehefrau (und Freunde) haben mir schon vor Jahren „eine Reha“ empfohlen, also einen gesundheitlichen Rehabilitationsaufenthalt. Letztes Jahr hab ich ihn auch beantragt – und dann hat mir meine Versicherung, die BVAEB, die „Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau“ – ein beamtetes Wortungetüm der Sonderklasse – einen Termin vorgeschlagen. Rund um die Semesterferien herum, in einer Zeit, in der eine semestrierte Schule wie „meine“ den größten Stress hat, weil sie innerhalb von ca. 10 Tagen ein „Schuljahr“ abschließen und ein anderes „Schuljahr“ auf Schiene setzen soll. Diesen Termin habe ich nicht angenommen.
Dann hab ich einen neuen Termin bekommen: rund um die Osterferien, vom 23.3. bis zum 13.4. Den hab ich angenommen. Und jetzt bin ich „auf Reha“. (Und nach der Reha hab ich noch 10 Arbeitstage und gehe am 1. Mai in Pension, denn ich werde im April 65. Ich muss.)
(Ich bin ein kranker und verletzter Mensch. Meine Körperhaltung ist seit nun 48 Jahren schief. Im linken Schienbein siedeln Staphylokokken. Geschwüre („Ulcera“) schränken meine Mobilität ein. Und seit ein paar Monaten gesellen sich wellenartige Schmerzanfälle dazu. Und wenn ich neben meinen Antibiotika nicht noch Antiepileptika nähme, würd ich öfters unschön aus- und auffallen. Ja, man kann den Luxus Reha eventuell verantworten.)
Wie ist Reha?
Es ist meine erste und ich hab erst eine Woche Erfahrung. Und es kann sein, dass meine Erfahrungen nicht typisch sind. Reha ist aus meiner Sicht etwas zwischen Hotel, Spital und Erziehungsanstalt. Und Reha ist offenbar etwas für „weiße alte Männer mit Bauch“. Ich schätze wir sind 90% Männer, Durchschnittsalter knapp 65 (ja, es gibt auch Pensionisten unter uns), Durchschnitts-BMI ca. 30 würd ich sagen – also deutliches Übergewicht. (Ich bin ja hier auch unter Beamten, Eisenbahnern und – nein, eben nicht: – „Bergbau“-ern; ich gehöre da noch zu den „Schlankeren“. Ja, wir haben da auch Frauen; und wir haben da auch Menschen unter 40: ich schätze etwa 5%.)
Die Zimmer sind schön: ein Mittelklassehotel. Das Essen ist ganz gut: besser als normale Spitalskost. Wenn wir vom Essen zurückkommen, ist aufgeräumt. Ein Spital sind wir, weil es Ambulanzen gibt, Labore, Diagnosen, Therapien. Und eine Erziehungsanstalt sind wir, weil es strikte Regeln gibt: als ich um 12:15 noch nicht beim Mittagessen bin, kommt schon ein Anruf: wo ich bleibe. (Gut: ich könnte ja bewusstlos im Zimmer liegen.) Die Krankenschwester, die meinen Fuß lasert, beffelt mich an: „Brille hob i gsogt“. Die Anamnese durch den betreuenden Arzt ist kein „Gespräch“: er geht ganz flott seinen Fragebogen durch und unterbricht mich schnell, wenn ich etwas erläutern will. Meine Meinung ist nicht so sehr gefragt: primär ist der Fragebogen.
Gut: wir können das Haus jederzeit verlassen. Aber wir müssen rechtzeitig zurück sein: um 10 ist die Tür zu. Aber es ist vielleicht eine höhere Fügung des Schicksals, einen alten Lehrer am Schluss seines Arbeitslebens in eine Erziehungsanstalt zu setzen.
Jedenfalls … eine interessante Erfahrung, die mir in meinem Leben noch gefehlt hat. Nicht uninteressant, aber auch kein Dauerzustand. (Gut: solls ja auch nicht werden.)
Der Termin?
Wir üben am Abendgymnasium Übergabe. Meine Nachfolge in der Direktion scheint relativ klar zu sein: ein einziger Mensch hatte sich darum beworben und dieser Mensch ist zweifelsohne überaus kompetent. Was soll da noch schief gehen? Ich habe im Bereich der öffentlichen Kommunikation meine Mail-Adresse entfernt: wir sind jetzt unter „direktion.abendgym@tsn.at“ erreichbar – das ist ein Verteiler, der Mails an mich, an meine präsumptive Nachfolgerin und an unseren gemeinsamen Administrator verteilt. Alle drei bekommen wir praktisch den ganzen direktoralen Schriftverkehr mit – und haben uns ausgemacht, wer wann was davon bearbeitet. Ich bin noch im Dienst und auch auf Reha erreichbar, aber der tägliche Betrieb läuft bereits weitgehend ohne mich. 14 Tage lang werde ich in der zweiten Aprilhälfte die Übergabe finalisieren können, aber für die Zukunft ist gesorgt. Meine Nachfolgerin entscheidet als meine derzeitige Stellvertreterin selbstverständlich schon Dinge alleine, und wenn sie will, holt sie sich meinen Rat.
Der zweite Reha-Termin ist für eine Übergabe der Leitung der Schule fast ideal. Das Semester ist auf Schiene; wir haben ein bisschen Spielraum. Sehr Vieles unser täglichen Arbeit läuft über ein hervorragend disponiertes Sekretariat, um das man uns aus mehreren Gründen beneiden kann.
Aber nicht nur die Schule übt Übergabe. Auch ich übe für meine Pension. Das Loslassen fällt mir etwas schwerer, als ich erwartet habe: ich mische mich noch ein, etwas zu sehr. Aber ich werds noch lernen.
ergänzungen am 31.3.:
1. reha ist nicht nur hotel & spital & erziehungsanstalt; sondern auch & fitness-studio.
fitness-studio ist für mich eine gänzlich neue welt; völlig ungewohnt. ich bin mir bloß noch nicht sicher, ob das fitness-studio nicht eine unterabteilung der erziehungsanstalt ist
2. ich glaub, der prozentsatz der männer ist nicht ganz so hoch; es dürften doch ein knappes viertel frauen sein. die bmi-schätzung und die altersschätzung dürften eher stimmen. es sind zahlreiche offensichtliche pesionist*innen, zum teil sehr gebrechliche menschen.
m.
Mehr aus der Reha – das ist sooooo unterhaltsam!