michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Der Antisemitismus-Vorwurf

einerseits

Einerseits haben die Wiener Festwochen den deutsch-jüdischen Philosophen Omri Boehm zu einer „Rede an Europa“ eingeladen. Das wird vom Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, als Akt des Antisemitismus gesehen, weil Boehm im Rahmen des Nahostkonflikts für einen gemischten israelisch-palästinensischen Staat als Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung eintritt. Diese Haltung, so Deutsch, sei „purer Antizionismus, also Antisemitismus“. Boehm schüre „Hass gegen Israel und Juden“.

andrerseits

Andrerseits hat ein Aktivist, der sich selbst als Teil der jüdischen Gemeinschaft sieht, einen Farbanschlag auf eine Antisemitismus-Konferenz in Wien ausgeführt, weil er auf den „Genozid“ an der palästinensischen Bevölkerung aufmerksam machen wollte. Dieser Anschlag wird von prominenten Politikern – Nehammer, Edtstadler, sogar Kogler – als Akt des Antisemitismus verurteilt – offenbar, weil sie das Motiv nicht verstanden haben; Nationalratspräsident Sobotka versteigt sich sogar zu einem Vergleich mit dem tatsächlich überaus gewalttätigen rechtsextremen Anschlag auf einen SPD-Politiker in Dresden.

erhebliche Verwechslungen

Da geschehen meines Erachtens erhebliche Verwechslungen. Wer für Nahost eine Zwei-Staaten-Lösung fordert, ist deshalb nicht Antisemit. Wer einen einheitlichen „binationalen“ Staat Israel-Palästina vorschlägt, ist deshalb noch nicht Antisemit. Wer den Krieg der israelischen Regierung gegen die Menschen in Gaza als „Genozid“ bezeichnet, ist deshalb noch nicht Antisemit – sondern hat unter Umständen recht. Wer gegen bestimmte Politiken der israelischen Regierung ist, ist deswegen noch nicht Antisemit.

Was ist (nicht) Antisemitismus?

Antisemitismus ist die Ablehnung bzw. die Verfolgung von Juden und Jüdinnen aufgrund ihrer Religion oder – was besonderer Unsinn ist – aufgrund ihrer „Rasse“. Die Kritik an oder die Verurteilung von Maßnahmen der derzeit amtierenden israelischen Regierung ist deswegen noch lange nicht antisemitisch. Es sind auch Jüdinnen und Juden, die gegen diese maßlose Politik Israels ankämpfen, eine Politik, die fortwährende Verstöße gegen das Völkerrecht duldet.

Man kann durchaus der Meinung sein, dass die gegenwärtige Politik der israelischen Regierung den Staat Israel gefährdet.


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