michael bürkle

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Michael Bürkle

Alles Gute, Genosse Babler!

Unglaublich, wie schwer es die SPÖ macht, als Vorsitzender einen guten, produktiven Einstieg zu finden. Mir tut Andreas Babler echt leid; sogar Hans Peter Doskozil erbarmt mich, weil man ihn so beschädigt hat, wie er Jahre lang die Parteivorsitzende beschädigt hat. Es endet in einer „höheren“ Gerechtigkeit, wenn sich jahrelanges Sticheln nicht als letztlich erfolgreich erweist.

Der EU-Kritiker als Marxist

Babler ist ein guter Mann. Sogar seinen Befund zur EU, der kurz vor dem Parteitag – von wem wohl? – an die Medien gespielt worden ist, kann ich im Großen und Ganzen teilen: nein; ich halte sie nicht für ein „aggressives Militärbündnis“, aber dass es an der Verfasstheit der Union dringenden Reformbedarf gibt, kann niemand abstreiten, der sich damit beschäftigt. Auch dass  Babler einmal sagt, er sei Marxist, und einmal, er sei keiner, verstehe ich. Was ist denn ein „Marxist“? Jemand, der Marx gelesen hat? Dann bin ich auch einer: ich habe „Lohn, Preis und Profit“ durchaus studiert, mit heißem Bemüh’n. Ich glaube auch, dass Marx und Engels durchaus wichtige Texte zur Geschichte und Analyse des Kapitalismus geschrieben haben – aber halt im 19. Jahrhundert. Seither ist noch anderes Kluges über den Kapitalismus geschrieben worden – und Marx ist in vielen Teilen überholt. Insofern bin ich kein Marxist.

Ich verstehe Babler – glaube ich.

Babler und die Klimakrise

Andreas Babler versteht wesentlich mehr von der Klimakrise als die gesamte ÖVP und vielleicht mehr als viele Grüne – Eleonore Gewessler einmal ausgenommen. Babler war fähig, am Parteitag korrekt über Kipp-Punkte des Klimawandels zu sprechen und das als Verteilungsproblem zu erkennen. Das machen ihm nicht viele sogenannte „Spitzenpolitiker“ nach.

Und diesem ausgezeichneten Kandidaten vermasselt seine Partei, sein Parteiapparat einen fulminanten Wahlsieg – oder jedenfalls Bilder von so einem. Wir haben grad noch das Bild, zu dem „Sieger“ Doskozil Babler auf die Bühne gebeten hat. Die SPÖ hat nun einen neuen Vorsitzenden, der mit 3-4 Tagen Verspätung ein allgemeines Aufräumen beginnen muss, statt effektiv Politik zu machen. Wenn’s ein Kriminalfall wär, würde man fragen: Cui bono? Wem nützt es? Klar knallen die Korken in der ÖVP und der FPÖ. Bei den Grünen weniger – ihnen könnte Babler direkt Stimmen kosten. Aber Andreas Babler kann es schaffen, in seiner Art auch Wähler*innen aus der FPÖ und der ÖVP zurückzuholen. Hat er in seiner Rede nicht sogar von „Solidarität“ gepaart mit „Nächstenliebe“ gesprochen? Ja, das hat er.

Er kann es schaffen, aber man hat es ihm extrem schwer gemacht!

Warum „Genosse“ Babler?

Ich bin natürlich nicht Mitglied der SPÖ. Ich bin auch aus den Grünen ausgetreten, als die nachmalige Novomatic-Managerin Glawischnig die Jungen Grünen – die heute zum Teil das „Plus“ bei der KPÖ Plus ausmachen – ausgeschlossen hat. Seither bin ich parteilos und es geht mir gut dabei.

Ich war in meiner Jugendzeit ziemlich konservativ gepolt. 14 Tage lang war ich sogar in einer MIittelschülerkartellverbindung, aber dort hats mir nicht gefallen. Mit 17 habe ich in einer Redeübung allerdings bereits meine Klassenkameraden zur Wehrdienstverweigerung aufgerufen – da meinte der Deutschlehrer, das dürfe man nicht, das sei illegal. (Ja, das war damals noch so.) Ich habe dann aufgerufen, sich die Wehrdienstverweigerung zu überlegen – Überlegen sei nicht verboten, meinte der Professor.

(Ich wäre nach der Matura gern in die Entwicklungshilfe gegangen – aber ein Mopedunfall und seine Folgen machten das zunichte.)

Als Student in Innsbruck war ich schnell Studienrichtungsvertreter am Institut für Mathematik und landete bald beim VSStÖ, dem Verband sozialistischer Studenten, wie das damals noch hieß. Ich habe dort enorm viel gelernt und es bis zum zweiten Sektionssprecher gebracht; und ja: wir lasen „Lohn, Preis und Profit“. Damals war ich – vielleicht – „Marxist“, obwohl: wir in Innsbruck vertraten den „Sozialismus der Selbstverwaltung“, der weder mit der Mutterpartei noch mit den anderen Sektionen kompatibel war. Aber deswegen tu ich mir mit dem „Genossen“ Babler gar nicht besonders schwer.

Wir haben dann mit vielen anderen „Basisdemokratische“ Listen gegründet und damit den universitären Zweig der späteren Grünen entwickelt. Nach Zwentendorf und Hainburg ist daraus eine Partei entstanden. Dort war ich in Tirol sogar 4 Jahre lang Geschäftsführer.

Gewählt habe ich die SPÖ freilich schon lange nicht mehr: viel zu behäbig, viel zu satt, viel zu kompromittiert. Aber ich kann mir ein Parteisystem ohne Sozialdemokratie noch nicht wirklich vorstellen. Eine funktionierende Sozialdemokratie wäre wichtig.

Viel Erfolg!

Ich wünsche dem Genossen Babler viel Erfolg: nicht bei der Zerstörung der Grünen oder der KPÖ Plus, sondern in der Formulierung glaubwürdiger Alternativen, die ehemalige SPÖ-Wähler*innen zur SPÖ zurückbringen können: Menschen, die aufgrund maßloser (und berechtigter) Enttäuschung gar nicht mehr gewählt haben oder die zu den Rechtspopulisten übergelaufen sind. Vielleicht erinnert Andreas Babler auch die Grünen, dass es da und dort potenzielle Wähler*innen gibt, die seit Jahren vergessen werden.


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