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Michael Bürkle

Die Ära des Rechtspopulismus

Rechtspopulisten …

Wir gehen in eine Ära des Rechtspopulismus – bzw. sind wir schon mitten in ihr drin. (Fast) überall in der global-nordwestlichen Welt fahren rechtspopulistische (und rechtsextreme) Parteien große Wahlerfolge ein, ohne davor je eine relevante Politik gemacht zu haben: in Ungarn, Polen, Frankreich, Italien, Schweden, Finnland, Deutschland, Österreich – und vor allem in den USA, wo mit Donald Trump ein Rechtspopulist übelster Sorte im Finale um eine neuerliche Präsidentschaft antritt und laut Umfragen nur knapp hinter der demokratischen Kandidatin Kamala Harris liegt.

So einer wie Trump – der mit übelster Rhetorik, niedersten Instinkten und absichtlichen und an sich leicht durchschaubaren Falschinformationen „arbeitet“ – müsste in einem echt zivilisierten Land schon bei den parteiinternen Vorwahlen hochkantig durchfallen. Eigentlich. Allerdings schaffen es die USA, diesem Herrn auch eine chancenreiche Gegenkandidatin auf die politische Bühne zu stellen: Respekt!

Gründe für den Rechtspopulismus

Populismus ist der Versuch, für schwierige Probleme einfache und „populäre“ Lösungen anzubieten – auch wenn sie zu einfach und gar keine „echten“ Lösungen sind.

Rechtspopulismus ist Populismus, der sich nicht an demokratische Spielregeln halten will, der „starke Führungsfiguren“ will – bis hin zur Autokratie und einem Führerstaat, in dem Grenzen der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Gesetzdurchführung und Rechtssprechung (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion) aufgehoben werden – und wo versucht wird, auch die „vierte Gewalt“, die Medien, zu kontrollieren.

Der global derzeit relativ erfolgreiche Rechtspopulismus hat m.E. mehrere Gründe:

  1. die Globalisierung
  2. die weltweiten Großen Krisen, die von den Menschen als übermächtig interpretiert werden und Angst machen
  3. die populistischen globalen Medien

Globalisierung bedeutet, dass sich heute Probleme (und Chancen) global, also weltweit stellen. Beispiel: heute wird aus einer Epidemie schnell eine Pandemie, weil sich Krankheitskeime schnell mithilfe des weltweiten Personen- und Warenverkehrs über die gesamte Erde verbreiten. Die nächste Pandemie kommt also bestimmt – ganz ohne Planung. Wenn im Suezkanal ein Schiff stecken bleibt, wackeln weltweit die Lieferketten. Wir sollten unter Corona gelernt haben, wichtige Produkte nicht nur global zuzukaufen, sondern auch im Nahbereich selbst herstellen zu können. Das wäre eine relevante Lehre aus der bisherigen Globalisierung.

Krisen stellen sich heute als „Große Krisen“ weltweit, als die gesamte Menschheit bedrohende Entwicklungen. Das war zum ersten Mal bei Corona so: eine in China entstandene ernste Infektion verbreitete sich innerhalb von wenigen Wochen auf der ganzen Erde. Die Klimakrise, der menschengemachte Klimawandel, stellt sich ebenfalls weltweit und kann nur weltweit gelöst werden.

M.E. ist der Globus bzw. die Biosphäre auf ihm noch nie in derart großer Gefahr gewesen, und viele Menschen wissen das und andere ahnen es. Viele „glauben“ es nicht, weil sie es nicht wahrnehmen wollen, dabei ist der Klimawandel keine Glaubensfrage, sondern wissenschaftlich nachweisbar. Die Klimakrise ist das größte Problem für die Sicherheit des menschlichen Lebensraums auf dem Planeten; an der Klimakrise hängen Wirtschaftskrisen, riesige Migrationsströme, weltweite soziale Krisen. Und an der Klimakrise hängt auch „die Demokratie“. Ohne eine globale Lösung des Klimawandels geht zuerst die Demokratie, dann die Biosphäre, der (menschliche) Lebensraum verloren.

Mit einem gewissen Recht fühlen sich Menschen dem Klimawandel machtlos gegenüber: der Klimawandel kann nicht in einer Region oder nur für ein Land gelöst werden. Insofern verpuffen in lokalen, regionalen und nationalen Wahlkämpfen Appelle für eine Lösung der Klimakrise. Menschen wollen auf Annehmlichkeiten (z.B. die „selbstverständliche Autofahrt“, den „selbstverständlichen Urlaubsflug“) nicht verzichten: die Klimakrise macht ihnen eine mehr oder weniger bewusste Angst.

Die „Krise“, von der der Rechtspopulismus überall lebt, ist die Migration bzw. die Angst vor dem „Fremden“: vor fremden Sprachen, fremden Religionen, fremden Traditionen und Kulturen. (Manche haben sogar eine absurde Angst vor „fremden Genen“.) Dabei ist es so, dass es ein Asylrecht gibt (und geben muss) und dass unabhängig von Asyl unsere Gesellschaft Zuwanderung braucht. Man müsste sie halt gut organisieren und da versagen leider nicht nur viele Staaten, sondern auch die EU. Dabei ist das sogenannte „Fremde“ zu differenzieren: Manches ist lebensgefährlich – etwa ein Islamismus mit Kalifat und Scharia. Vieles ist aber eine Bereicherung unserer eigenen Traditionen und Kultur.

Auch Wirtschaftskrisen stellen sich global und die Instrumente, die ein Land z.B. einer Inflationswelle entgegensetzen kann, sind beschränkt.

Die globale Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Qualitätsvolle Zeitungen und staatliche, „seriöse“ Fernsehsender haben an Gewicht verloren; sogenannte „soziale Medien“ verbreiten als asoziale Medien Meldungen ohne Realitätsgehalt und Falschinformationen bestehen scheinbar gleichrangig neben den seriösen Informationen seriöser Quellen. Viele Menschen haben aber nie gelernt, zwischen verschiedenen Arten von Quellen zu unterscheiden.

Auch die Gestaltung sog. „sozialer Medien“ ist an sich populistisch: sie verwenden kurze Filme, die keine ausführlichen Erklärungen zulassen, keine Argumente, sondern primär mit Gefühlen arbeiten, nicht mit dem Verstand.

Wie umgehen mit dem Rechtspopulismus?

An der Globalisierung können wir nichts ändern, höchstens ihre extremen Wirkungen etwas abfedern.

Das erste, was gegen den Rechtspopulismus zu tun ist, ist Bildung, die Verbreitung von seriösem Wissen und die Befähigung von Menschen, Nachrichten auf ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Das wäre wichtig in unseren Schulen: das gesamte Wissen steht an sich zur Verfügung, aber wie lernt man, Sinnvolles von Sinnlosem zu unterscheiden? Dazu braucht es einen Grundbestand an „gesichertem Wissen“. Und entsprechende Fähigkeiten!

Das zweite ist seriöse, ehrliche Politik. „Unsere Politik“ ist voll von Schönfärberei: das beginnt, wenn nach Wahlen sich alle Interviewten irgendwie als Sieger darstellen und ganz normale Wahlgewinner als Triumphatoren. Das geht weiter, wenn der Eindruck entsteht, dass in Koalitionen Gesetzesmaterien als Kuhhandel begriffen und „ausgeschnapst“ werden – das macht den Populisten den Angriff leicht. Das reicht bis in Fälle von Postenschacher und extremer Korruption, wo der Eindruck entsteht, dass nicht die Ausbildung oder die berufliche Qualität zählen, sondern „Freunderlwirtschaft“ betrieben wird: Fälle wie der „Fall Benko“ stehen da nur für viele. Hier tragen (in Österreich) die ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ, die jahrzehntelang öffentliche Stellen nach dem „Proporz“ vergeben haben, eine historische Verantwortung; die FPÖ schließt sich dieser Form von Korruption nahtlos an, sobald sie an der Macht ist: „Ibiza“ usw.

Politiker*innen haben die Aufgabe, die Probleme, die sie sehen, und die Lösungen, die sie erarbeiten (lassen), gut verständlich darzustellen und zu erklären. Das können viele nicht, viele sind da hoffnungslos überfordert – und werden von einigen Medien auch gar nicht unterstützt. Da geht es um eine Schleife zurück zur Bildung in den Schulen.

Wie lange wird die Ära dauern?

Ich weiß es nicht, ich habe keine Glaskugel. So 10, 20 Jahre können das schon werden; dann bin ich 77 oder 87. Diese Zeit braucht es auch, um die nötige Bildung bereitstellen zu können. Wenn es den Rechtspopulisten wie in Ungarn oder Russland gelingt, den Staat in allen Facetten zu kontrollieren, kann es aber auch länger dauern. Wenn sich die Rechtspopulisten schnell in Skandale verwickeln, wie sie das gerne und oft tun, kann es – wie bei Strache – auch schneller gehen.

Druck wird womöglich entstehen durch den Klimawandel. Der kann schnell zu sehr unangenehmen Temperaturen (Hitze und Kälte) und zu Wetterextremen en masse führen, sodass ein gesellschaftlicher Druck entsteht: global, denn die Klimakrise ist global und kann nur so gelöst werden. Die Frage aller Fragen ist: Wird die Klimakrise überhaupt noch bewältigt werden können, wenn dann die Menschheit endlich eine globale Lösung in Angriff nimmt? Oder sind wir bis dann nicht eh hoffnungslos zu spät?


Ich halte den Artikel selbst für ziemlich spekulativ. Ich freue mich immer auf und über Diskussionsbeiträge – aber hier ganz besonders. Am Fuß jeden Artikels kann man Stellung beziehen; alles, was sich an eine allgemeine Netiquette hält, wird veröffentlicht. Ich brauche einen Namen – der kann auch ein Pseudonym sein – und eine Mail-Adresse – die wird aber nicht veröffentlicht.


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[…] in Vorarlberg scheinbar großartige Wahlgewinner gegeben und auch einige Verlierer. In Zeiten des Rechtspopulismus kein Wunder: die FPÖ hat gewonnen und ihren Wahlsieg als Triumph dargestellt. Aber sehen wir genauer […]

Christa Kostron
Christa Kostron
2 Monate alt

Diesem Artikel kann ich mich voll anschließen. Auch mir scheint Bildung ein ganz wesentlicher Faktor zu sein. Nicht nur politische Bildung, es fehlt mir auch ein verpflichtender Ethikunterricht (oder Philosophieunterricht?). Unsere Kinder brauchen Hilfe im Umgang mit zwischenmenschlichen Problemen, damit nicht nur der Stärkere oder Lautere gewinnt. Religion ist Privatsache, die gerne außerhalb des Regelunterrichtes erfolgen kann. Eine derartige Forderung besteht seit Jahrzehnten, eine Lösung wird immer hinausgeschoben.

Gabriele Guggenberger-Frötscher
Gabriele Guggenberger-Frötscher
2 Monate alt

Christa hat es bereits angeführt, auch ich glaube unser Bildungssystem trägt viel dazu bei, dass Rechtspopulisten immer mehr Gehör finden. Demokratiebewusstsein, kritischer Umgang mit den sozialen Medien, Fakten und Mythen erkennen, Ethik und Werte etc., diese Themen wurden und werden vernachlässigt. Demokratie, Integration, Vermittlung von Wissen und Aufklärung (Anerkennung der Wissenschaften) Empathie , Abbau von Ängsten gegenüber „allem Fremden“ uvm beginnen bereits im Vorschulalter. Das Thema „Ausleseschule oder Gesamtschule ?“ – qualitätsvoller Ganztagesunterricht , werden seit mehr als 50 Jahren nur diskutiert und nicht flächendeckend umgesetzt. Es fehlt an Primär- und SchulpädagogInnen, SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen und Unterstützungen an allen Ecken. Bildung… Mehr »

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[…] Wirklichkeit sind die Erfolge nicht grundlos, sondern haben Ursachen; ich habe im Beitrag „Die Ära des Rechtspopulismus“ schon eine Analyse […]

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