michael bürkle

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Michael Bürkle

Die „guten Sitten“ und ihre Wächter

USA

Drei Abgeordnete der Demokraten haben im Abgeordnetenhaus in Nashville, Tennessee für strengere Waffengesetze demonstriert. Daraufhin wurden mit einer republikanischen Mehrheit zwei von ihnen – die beiden Schwarzen – aus der Abgeordentenkammer ausgeschlossen. Die dritte – eine weiße Frau – überstand die Abstimmung knapp.

In Montana wurde eine transgeschlechtliche Abgeordnete – Zooey Zephyr – von der republikanischen Mehrheit aus der Abgeordnetenkammer ausgeschlossen. Begründung: ihre Aussagen in einer Debatte über Hormontherapien bei transgeschlechtlichen Minderjährigen hätten gegen die Sitten der Parlamentskammer verstoßen.

Nazideutschland

Geschichtlicher Exkurs: Nach der Reichstagswahl 1933 wurden am 8. März alle 81 Sitze der KPD mit Berufung auf die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ annulliert. Damit war der NSDAP, die in der Wahl keine absolute Mehrheit erzielt hatte, die „Mehrheit“ sicher. Der Vorwurf bestand darin, dass KPD-Abgeordnete zum Reichstragsbrand beigetragen hätten. Ein Beweis erfolgte nicht.

Innsbruck, heute

Nun gut: die USA haben offenbar sehr seltsame Sitten. Waffen sind erlaubt, Argumente nicht, Demonstrationen nur, wenn sie der Mehrheit passen – siehe Trump, Kapitol. Und Nazideutschland war ein bedauerlicher Unfall der Geschichte; das ist – gottseidank – „vorbei“.

Könnte man meinen …

In Innsbruck hatte die Grüne Gemeinderätin Janine Bex vor Kurzem ihr Baby bei der Sitzung mit. Außerdem trank sie aus einer „Bierflasche“ – es war aber alkoholfreies. Doch plötzlich erkannten Gemeinderäte der SPÖ (Buchacher, Heisz) und des „Gerechten Innsbrucks“ (Depaoli) einen sittenwidrigen Skandal und brüllten und tobten, dass die Sitzung unterbrochen werden musste.

Der Bürgermeister Willi und SP-Stadträtin Mayr fanden anschließend noch Worte der Vernunft. Immerhin.

Gleiches? Ähnliches!

Das hat einen gemeinsamen Nenner: man erkennt eine scheinbare „Sittenwidrigkeit“ und nimmt sie zum Anlass, den politischen Gegner – im wahrsten Sinn – „fertig“ zu machen. Niedermachen, kleinkriegen, ausschließen. Ich denke, dass ist bei vielen stockkonservativen Politikern – Republikaner, Nazis, aber auch einheimische Vollkoffer – mittlerweile als Muster präsent.

„Sittenwidrig“ kann dabei alles sein: Demonstrationen für strengere Waffengesetze, Transsexualität an sich, das Stillen von Kindern. Eine Bierflasche. Wurscht: wir hauen drauf.

(Ich muss mich korrigieren: eine Bierflasche ist für die Vollkoffer vermutlich noch nicht sittenwidrig. Aber alkoholfreies Bier in der Hand einer stillenden Frau.)

„Sittenwächter“

Kann man den Bogen spannen bis zu den Sittenwächtern im Iran und in Afghanistan? Wo die Sittenwidrigkeit schon darin besteht, Haar zu zeigen oder Frau zu sein? Ist es die Urangst vor „dem Anderen“? Vor allem vor dem selbstbewussten Anderen?

Das ist noch einmal ein eigenes Thema. Aber gemeinsame Elemente sind unverkennbar.


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eva
eva
1 Jahr alt

Sehr schön! Absolute Solidarität mit Frau Bex! Hab mir erzählen lassen, dass in den 90ern im Nationalrat gestillt wurde. Und es war ok. Vieles hat sich (rückwärts) geändert. Doch solche Frauen lassen die Hoffnung nicht ganz vergehen.

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