michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Beim Verkaufsgespräch

Die Situation

Die Frau F und der Mann M beim Regalkauf. Beteiligt noch V(erkäuferIn).

Siuation 1:

M zu V: Stellen Sie das Regal auch auf? Ich möchte das nämlich nicht selbst machen.
F zu M: Liebling, das könntest du gar nicht.

Situation 2:

F zu V: Stellen Sie das Regal auch auf? Ich möchte das nämlich nicht selbst machen.
M zu F: Liebling, das könntest du gar nicht.

[Es gäbe noch eine dritte Variante:

F zu V: Stellen Sie das Regal auch auf? Mein Mann kann das nämlich nicht selbst machen.

Und noch ein paar andere. Aber die lassen wir hier weg.]

*

Die Fragen

Sind die Situationen symmetrisch? Oder handelt es sich um Formen des Sexismus? Ist die Kommunikation harmlos? Oder stellt sie wichtige Rollen in Frage? Geschlechterrollen?

In Situation 1 bezweifelt F in Anwesenheit von V eine Kompetenz von M.

In Situation 2 bezweifelt M in Anwesenheit von V eine Kompetenz von F.

Mein guter Kommentator „peppone“ hat auf einen Beitrag über Feminismus von mir gepostet:

„Ich kenn nämlich keine Frau, welche sich im Grunde nicht auf Alphamännchen stehen würde, und ich kenn auch keinen Mann, welcher im Grunde nicht das Alphamännchen geben wollte.“

Ich schätze die Kommentare von peppone sehr, möchte ihm da aber widersprechen. Ich kenne Frauen, die sich nicht nur auf „Alphamännchen“ stehen und ich kenne Männer, die im Grunde nicht nur das Alphamännchen „geben“ wollen, sondern die bereit und fähig sind, aus der Alphaposition zurückzutreten und anderen dort den Zugang zu ermöglichen, Männern wie Frauen.

Bewertungen

In der Situation 1 holt F M aus der Position des Alphamännchens heraus. Sie schreibt ihm eine Kompetenz ab. Viele Männer würden das als Angriff empfinden. Ja, sie wollen als Alpha wahrgenommen werden. Vor V. Und von F.

[Wenn peppone recht hätte, wäre Situation 1 auch ein Beweis dafür, dass F auf M nicht „steht“, denn sie sieht ihn hier ja nicht als Alphamännchen. Aber ich glaube eben, dass peppone hier irrt.]

M in der Situation 2 tut Analoges. Aber F würde in einem klassischen Rollenbild keine Alphafunktion verlieren: sie muss ein Regal nicht zusammenbauen können. Im Gegenteil: als Alphaweibchen müsste sie hauptsächlich andere Qualifikationen haben. (Fragt sich allerdings: Welche?)

Also ist die Situation aus klassischer Sicht nicht symmetrisch. Also potenziell sexistisch. In Situation 2 haben wir einen paternalistischen Mann, der seiner Frau wenig zutraut, jedenfalls nicht den Bau eines Regals. Das ist im klassischen Rahmen. Der Mann in Situation 1 steigt schlecht aus, die Frau in Situation 2 nicht, der Mann in Situation 2 steigt aus moderner Sicht auch schlecht aus.

Aus moderner, gleichberechtigter, „emanzipierter“ Sicht ist die Situation zunächst symmetrisch. Beide sprechen einander gegenüber Dritten eine Kompetenz ab; das ist nicht gerade freundlich, aber in beiden Fällen gleich geartet. Allerdings, im Licht von früher bekannten „klassischen“ Verhältnissen: Der Mann in Situation 2 ist paternalistisch, unmodern, altmodisch. Die Frau in Situation 1 ist hingegen emanzipiert, modern, mutig.

*

Ich bin auf Beiträge gespannt.


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peppone
peppone
6 Jahre alt

Ein eigenes Thema, was für eine Ehre! Denn was wäre schon eine Diskussion ohne Gegenpol und Widerspruch? Ich kann dir folgen und deiner Einschätzung teilweise auch zustimmen. Aber, dein Beispiel ist ein Kopfexperiment. Soll heissen, ein Einzelfall von Einzelakteuern in einer einzigen Situation. Worauf ich jedoch hinweisen wollte ist der „Magnetismus“, welchem wir samt und sonders unterliegen. Global und über alle Zeiten. Welcher auch bei deinen vorgestellten Einzelakteueren vielleicht nicht grad in der beschriebenen Situation aber doch in einer million Anderer eine Tendenz erzeugt, eine Ausrichtung, einen „akzeptierten“ gesellschaftlichen Konsens, ein Ungleichgewicht der Machtverteilung. In Summe die solidest vorstellbare Basis… Mehr »

m.b.
m.b.
6 Jahre alt
Reply to  peppone

hi,
keine „ehre“, du hast dir das redlich verdient. und es hat ausgezeichnet gepasst.
ja, den magnetismus gibt es – vermutlich seit es menschen gibt. aber ich denke, man kann lernen und sich dem scheinbar naturgesetzlichen entziehen. weitgehend. weitestgehend.
hg
m

peppone
peppone
6 Jahre alt
Reply to  m.b.

Danke, zuviel der Ehr‘! Hier ists für mich ein ruhiger Platz, einer auf dem ich meine, einiges was mir ankommt, offen/ öffentlich ausbreiten zu können Beim Lernen würde ich dir grundsätzlich zustimmen, beim Entziehen definitiv widersprechen. Ich hab den Begriff des „Magnetismus“ in uns auch deshalb gewählt, weil er für mich etwas unendliches im Wortsinn hat. Er ist ein ES IST, ähnlich absolut wie die Zeit, ähnlich absolut wie der Raum. Jedenfalls in jenem löchrigen Bild, welches ich mir von der Welt mache. Vielleicht können wir den „Magnetismus“ in uns irgendwann gesellschaftlich balanzieren, vielleicht ist das irgendwo oder irgendwann auch… Mehr »

Whisker
Whisker
6 Jahre alt

Ja, gerade das was du im vorletzten Absatz schilderst, sehe ich mittlerweile als ein großes Problem. Solche Positionen werden nach meiner persönlichen(!) Wahnehmung vor allem gerne von Menschen vertreten, die zum Teil dem sogenannten „Third-Wave-Feminismus“ zugeordnet werden oder sich selbst diesem zuordnen. Das Problem ist: mit Feminismus hat das absolut nichts mehr zu tun, sondern das ist je nachdem, wie man das lieber definiert: Misandrie, Egozentrik in „feministischer“ Tarnung oder auch einfach nur ziemlich autoritär. (Ich hab bei deinem Beitrag zum Feminismus auch schon etwas geschrieben, das in die Richtung; deswegen verweise ich lieber auf meinen Kommentar dort, anstatt dass… Mehr »

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